Noch ein Buch: Alles Nieten außer Ulla

Ursula Sarrazin, Gattin des ehemaligen Finanzsenators Thilo Sarrazin (SPD), hat ein Buch darüber geschrieben, warum sie ihre Arbeit als Lehrerin aufgegeben hat.

Der Mann an ihrer Seite: Thilo Sarrazin (links). Bild: dpa

Es wird sicher ein paar Menschen in Berlin geben, die aus der Lektüre des Buchs der früheren Grundschullehrerin Ursula Sarrazin ganz praktische Konsequenzen ziehen können. Günter Peiritsch etwa, Vorsitzender des Berliner Landeselternausschusses (LEA), oder Sascha Steuer, der ehemalige bildungspolitische Sprecher der CDU, sowie einstige KollegInnen, Vorgesetzte, MitarbeiterInnen der Schulverwaltung oder Eltern einstiger Sarrazin-SchülerInnen. Denn ihnen wird in dem 300-Seiten-Werk von der Autorin nicht nur akribisch und teils uhrzeitgenau nachgewiesen, wann und wie sie der nach eigener Sicht aus dem Schuldienst gemobbten Lehrerin jeweils Unrecht antaten. Viele der „Übeltäter“ (Sarrazin) werden dabei auch mit vollem Namen genannt – Stoff für noch mehr Streit, Beschwerden und Gerichtsprozesse um die ehemalige Grundschullehrerin.

Von 1999 bis 2011 hat Ursula Sarrazin an zwei Berliner Grundschulen unterrichtet. Schon früh begann der Ärger um sie: Bereits nach drei Jahren verließ Sarrazin ihre erste Schule, nachdem sieben Kinder aus ihrer Klasse abgemeldet worden waren – aus Protest gegen Sarrazins Lehrmethoden und Umgangsformen.

An der zweiten Schule setzten sich die Beschwerden über sie bald fort. Eltern äußerten Kritik an ihrem Unterricht und ihrer Strenge, von Schulleitung und Schulaufsicht fühlte Frau Sarrazin sich nicht unterstützt. So weit, so schlecht – aber lange noch nichts Besonderes. Differenzen zwischen Lehrkräften und Eltern gibt es in Berlin zuhauf. Öffentliche Aufmerksamkeit und mediales Interesse erlangte der Fall Sarrazin in Berlin erst 2008, als ein Schulrat die Ehefrau des damaligen Finanzsenators Thilo Sarrazin tatsächlich versetzten wollte – und prompt selbst versetzt wurde.

Einflussnahme ihres Mannes vermuteten Medien damals. Nachdem der 2010 mit seinem Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ und rassistischen Theorien von der Minderwertigkeit muslimischer Einwanderer zweifelhaften Ruhm erlangte, stieß auch der Fall der Lehrerin Sarrazin auf Interesse. 2011 schied sie freiwillig aus dem Schuldienst aus.

Dass Ursula Sarrazin sich unterdessen in einem wahren Sumpf aus Dienstaufsichtsbeschwerden und Prozessen, Aktenvermerken, genauestens dokumentierten Mailwechseln und Telefongesprächen, Allianzen, Verschwörungen und Verrat befand, belegt ihr Buch ebenso detailliert und ermüdend wie die Rolle, die die 1951 Geborene und 35 Jahre als Lehrerin Tätige sich dabei selbst zuweist: Sie ist das Opfer. Nicht nur unschuldig an allem, sondern auch durchweg kompetenter, klüger, besser als alle, mit denen sie in Berlins Schulsystem zu tun hatte.

Es ist deshalb schon ziemlich um die Ecke gedacht, wenn der Verlag das Buch im Klappentext als „wichtigen Beitrag zur aktuellen Schul- und Bildungsdebatte“ bezeichnet, dessen Autorin „die haltlosen Zustände und Strukturdefizite in der Hauptstadt“ anprangere. Haltlose Zustände sind bei Ursula Sarrazin solche, die sie mit Vorstellungen konfrontieren, die nicht genau ihren eigenen entsprechen. Elternmitspracherecht an Schulen etwa: Das ist zwar eigentlich gut, aber zu ernst nehmen darf man Eltern nicht. „Ihre einzige Legitimation“, in die Schulen „hineinzuregieren“ ohne „sachlich-fachliche Grundlage“, ist „ihr Kind an der Schule“, schreibt Sarrazin.

Sich wichtig machen

Auch Kinder sind selbstverständlich anzuhören. Wenn sie aber etwa den dafür geschaffenen Klassenrat nutzen, um Kritik an LehrerInnen zu üben, anstatt eigenes „Fehlverhalten“ zu besprechen, führe das zu einer „bedenklichen Selbstüberhöhung der Schüler“. „Sie dürfen sich wichtig machen.“ O-Ton Ursula Sarrazin.

Strukturelles Umdenken wird die Autorin in Berlin so kaum hervorrufen. Doch darum geht es ihr wohl auch gar nicht in dem Buch, das nicht umsonst den Titel „Hexenjagd“ trägt. „Ohne jede Prüfung“ der gegen sie „wabernden Vorwürfe“ habe sie ihr mehr als drei Jahrzehnte währendes Lehrerinnendasein nicht abschließen wollen – deshalb das Buch, schreibt Ursula Sarrazin.

Die Aktenschlacht wird damit nicht vorbei sein. Gerade hat die Autorin selbst Klage gegen einen früheren Vorgesetzten eingereicht. Und aus der Senatsschulverwaltung ist zu hören, man werde das Buch „sorgfältig lesen“ – und prüfen, ob „mögliche Verstöße gegen Beamtenrecht“, etwa gegen Geheimhaltungspflichten, vorlägen.

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