Nordfriesland: Programm der Reise

vom 10. bis 14. Juni 2014

Schimmelreiterkrug Bild: mathias Königschulte www.mathiaskoenigschulte.de

1. Tag (Dienstag)

Nach der Anreise der Teilnehmer – mit dem Zug aus verschiedenen Richtungen – treffen wir uns im Hotel in Husum und belegen erst einmal unsere Zimmer und trinken dann bei einem ersten Gespräch Kaffee oder Tee.

Danach gehen wir zum „Nissen-Museum“. Das Museum ist der friesischen Geschichte und vor allem der Deichbaukunst gewidmet. Zur Erinnerung: Husum – die „graue Stadt am grauen Meer“ ist Theodor-Storm-Stadt und dessen berühmte Novelle „Der Schimmelreiter“ handelt von einem Deichgrafen, der einen neuen – verbesserten – Deichbau durchsetzen wollte, die Friesen waren jedoch dagegen.

In der nationalsozialistischen Filmversion konnte er sich dann jedoch – als ihr „Führer“ – durchsetzen. Heute werden alle Deiche nach dem „Schimmelreiter“-Plan gebaut. Wir werden im Nissenmuseum einen Führer haben, der uns dazu Näheres erklären kann. Anschließend einen weiteren „Führer“ – für den Stadtrundgang. Zuletzt Abendessen im Hotel oder in einem Restaurant.

Nordstrand Bild: mathias Königschulte www.mathiaskoenigschulte.de

2. Tag (Mittwoch)

Von unserem Husumer Hotel aus, wo wir die ganze Zeit bleiben werden, fahren wir mit dem Bus ins 54 Kilometer entfernte Seebüll. Dort steht das zu einem Museum ausgebaute Wohnhaus nebst üppigem Garten des Malers Emil Nolde. Es empfiehlt sich dazu den Roman „Die Deutschstunde“ von Siegfried Lenz zu lesen, in dem der von den Nazis mit Malverbot belegte Künstler eine Hauptrolle spielt. In der Nähe seines ehemaligen Hofes werden wir nach dem Museumsbesuch Mittagessen und dann zurück nach Husum fahren, wo wir erst das dortige „Nationalpark-Haus“ am Hafen besuchen (mit Vortrag daselbst) und dann eine der vielen in und um Husum ansässigen Fabriken besichtigen, in denen Windkraftanlagen hergestellt werden.

3. Tag (Donnerstag)

Nach dem Frühstück fahren wir mit dem Bus zur 18 Kilometer entfernten Halbinsel Nordstrand. Dort wird dann – hoffentlich! – Ebbe sein, so dass wir unter der Leitung des Halligwarts Dr. R. Brauer eine Wattwanderung unternehmen können. Er ist Experte für „Rungholt“ – einer vor Nordstrand, so nimmt man jedenfalls an, während einer Sturmflut im 14. Jahrhundert untergegangenen friesischen Handelsstadt.

Halligwart Robert Brauer Bild: mathias Königschulte www.mathiaskoenigschulte.de

Dazu empfiehlt sich der Ausgrabungsbericht des Bremer Ethnologen Hans Peter Duerr: „Rungholt: Die Suche nach einer versunkenen Stadt“ sowie sein 2011 veröffentlichtes Buch „Die Fahrt der Argonauten“; auf Wikipedia heißt es dazu knapp: „Die Funde Duerrs werden heute dem ebenfalls in der Flut untergegangenen, aber danach wieder aufgebauten Nachbarort Frederingscap vel Rip zugeordnet.“ Darum geht es Duerr aber in seinem Buch gar nicht, sondern um die Überlegenheit der Mittelmeerkulturen gegenüber der friesischen.

Anschließend besuchen wir (kurz) das „Heimatmuseum Nordstrand“ und fahren dann weiter nach St. Peter-Ording, dem mondänsten Badeort Nordfrieslands – mit Sandstrand. Wir werden dort jemandem aus der Kurverwaltung treffen, der uns in die verwickelten Probleme des Friesland-Tourismus einweiht. Die vier Quellen des friesischen Wohlstands – Landwirtschaft/Viehzucht, Windkraft, Nationalpark Wattenmeer und Tourismus – sind nicht immer leicht unter einen Hut zu bringen.  

Anschließend erfahren wir in der „Schutzstation St. Peter-Ording“ noch Genaueres über den dortigen Naturschutz – und wie er gegen den Widerstand der Bauern auf der Halbinsel Eiderstedt durchgesetzt wurde. Dazu empfiehlt sich der Bericht des Ethnologen Werner Krauss: „Die Goldene Ringelgansfeder“ (in: „Bruno Latours Kollektive“). Mit Glück werden wir vorher auch schon einige lebende Ringelgänse gesehen haben. Das Abendessen nehmen wir vor Ort – in St. Peter-Ording – ein, danach geht es mit dem Bus zurück nach Husum.  

Niedrigwasser Bild: mathias Königschulte www.mathiaskoenigschulte.de

4. Tag (Freitag)

Nach dem Frühstück fahren wir mit dem Bus ins 52 Kilometer entfernte Meldorf – im Kreis Dithmarschen: der „freien Bauernrepublik“, deren Angehörige bei den mehrmaligen Versuchen, sie zu Unfreien zu machen, den halben holsteinischen Adel ausrotteten. Berühmt wurde ihre „Schlacht bei Hemmingstedt“ unter der Führung eines „Wulf Isebrand“, nach dem heute ein Bundesstandort in Heide benannt ist, der allerdings geschlossen werden soll.

Wir gehen oder fahren durch die Dithmarscher Köge, auch Polder oder Groden genannt (fruchtbares, dem Meer mittels Deichen abgerungenes Marschland). Dabei durchqueren wir den 1960 eingedeichten „Hauke-Haien-Koog“, benannt nach dem Stormschen Deichgrafen, sowie den „Sönke-Nissen-Koog“. „Er wurde auf Initiative einiger Bauern durch die dafür gegründete Deichbaugenossenschaft 1926 eingedeicht und nach dem nordfriesischen Eisenbahningenieur Sönke Nissen benannt, der in Deutsch-Südwestafrika tätig gewesen war und als Mitglied der Genossenschaft den Deichbau finanziell unterstützt hat,“ heißt es im Wikipedia-Eintrag. 1935 dann wurde in Dithmarschen mit einem „Adolf-Hitler-Koog“ Neuland geschaffen. Er heißt heute „Dieksander Koog“ – und ist Teil der Gemeinde Friedrichskoog.

Lorendamm Bild: mathias Königschulte www.mathiaskoenigschulte.de

Dithmarschen ist ein Kohlanbaugebiet. In seinem Landesmuseum in Meldorf erfahren wir Näheres über den letzten politischen Widerstand dort: die „Landvolkbewegung“ – gegen die Reichsregierung in Berlin Ende der Zwanzigerjahre. Dazu empfiehlt sich u.a. der Roman von Hans Fallada: „Bauern, Bonzen, Bomben“ aus dem Jahr 1931. Der Autor war damals Reporter und Anzeigenacquisiteur einer Zeitung in Neumünster, wo es zu einer Straßenschlacht zwischen Bauern und Polizei kam, worauf die Landvolkbewegung mit einem Stadtboykott reagierte, der erfolgreich war.

Wir fahren nach dem Vortrag weiter – quasi zurück – in die Holländersiedlung „Friedrichstadt“. Die in der Deichbaukunst ebenso wie in der Guerillakriegskunst erfahrenen Holländer, einschließlich „ihrer“ Westfriesen, spielten immer eine wichtige Rolle im deutschländischen Friesland. Was für die Niederländer gilt, kann man auch für die nach Art einer Eidgenossenschaft zusammengeschlossenen Friesen geltend machen: „Mit einer seltsam sturen Leidenschaft versucht dieses stets entlang der Nordseeküste und auf den Inseln bzw. Halligen siedelnde Volk allen Stürmen von See (aber auch allen Heeren von Land) die Stirn zu bieten.“

Inzwischen hat ihr „Projekt – über die Jahrhunderte hinweg – etwas absolut Extravagantes im Sinne eine poetischen Erfindung, eines Unternehmens von großer tragischer Thematik bekommen,“ wie der italienische Schriftsteller Giorgio Manganelli in seinem Friesland-Reisebericht für den Corriere della Sera 1985 schrieb.

Imbiss Bild: mathias Königschulte www.mathiaskoenigschulte.de

In der „Holländerstadt“ werden wir zu Abend essen, anschließend geht es zurück nach Husum.

5.Tag (Samstag)

Nach dem Frühstück gibt es keinen Programmpunkt und auch keinen Bus mehr. Vielleicht kriegen wir noch ein Abschlußgespräch zustande – bevor sich alle zu einem letzten Stadtspaziergang durch Husum aufmachen, um z.B. das Theodor-Storm-Museum oder eine Ausstellung über die berühmte Bohèmienne Franziska Gräfin zu Reventlow im Husumer Schloß ihrer Familie zu besuchen.

Dazu empfiehlt sich ihr Roman: „Der Geldkomplex“, den sie 1916 ihren „Gläubigern“ widmete. Auf dem Marktplatz hat man der friesischen Fischersfrau Tine ein Denkmal gesetzt. Im ersten Haus dort am Platz, dem Theodor-Storm-Café, heißt der größte Eisbecher „Deichgraf“.

Den Zeitpunkt der Abreise per Zug oder mit Auto kann wieder jeder für sich allein bestimmen. Wobei es zu bedenken gilt, dass auch die ganzen Programmpunkte letztlich nur Vorschläge sind, Angebote, wie man in der Tourismusbranche sagt.