Nordkoreas Militärchef entlassen: Jetzt tanzt sogar Micky Maus

Armeechef Ri Yong Ho wird überraschend entmachtet. Dies befeuert Spekulationen über Zerwürfnisse zwischen der Führung und dem einflussreichen Militär.

2010 war noch alles geordnet in Pjöngjang. Irgendwo in der ersten Reihe steht auch Ex-Armeechef Ri Yong Ho. Bild: dapd

PEKING taz | Schon der Auftritt vor elf Tagen hatte Beobachter von Nordkorea überrascht. Der junge Kim Yong Un, der nach dem plötzlichen Tod seines Vaters erst Anfang des Jahres die Macht übernommen hatte, war auf einer Gala nicht nur mit einer jungen Frau zu sehen, die angeblich seine neue Geliebte sein soll. Auf der Bühne tanzte auch Micky Maus. Über eine Genehmigung des Disney-Konzerns verfügt Nordkoreas Staatsführung zwar nicht. Doch die Beobachter erkannten darin einen Richtungswechsel des neuen Diktators.

Nun findet dieser Richtungswechsel auch beim Militär statt. Wie die amtliche nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA am Montag bestätigte, hat das Politbüro der regierenden Partei der Arbeit den bislang einflussreichen Militärchef Ri Yong Ho von allen Posten entbunden. Als offizielle Begründung gab KCNA „Krankheit“ an.

Der 69-jährige Ri ist erst seit 2009 Generalstabschef und wurde 2010 noch unter Kim Yong Uns Vater und Vorgänger Kim Jong Il zum Vizemarschall der koreanischen Volksarmee befördert. Sie ist mit mehr als 1,2 Millionen Soldaten eine der größten Armeen der Welt.

Die Entlassung des ranghöchsten Militärchefs, der zugleich auch Vize-Vorsitzender der mächtigen Militärkommission der Arbeiterpartei ist, kommt überraschend. Ri gehörte zum engsten Kreis der Führungsriege. Noch im April hielt Ri zum 80. Jahrestags der Gründung der Armee die zentrale Rede und klang alles andere als amtsmüde. Ri war zudem stets auf sämtlichen Bildern des neuen Machthabers Kim Jong Un an seiner Seite zu sehen, unter anderem bei der Gedenkzeremonie zum Todestag von dessen Großvater und Staatsgründer Kim Il Sung am 8. Juli.

Krankheit war noch nie ein Entlassungsgrund

Auf all diesen Bildern machte Ri auch nicht den Eindruck, dass er krank sei. „Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass es keine gesundheitlichen Probleme gab, sondern er geschasst wurde“, vermutet Daniel Pinkston von der Internationalen Krisengruppe (ICG), der aufmerksam die politischen Entwicklungen in dem totalitär geführten Staat beobachtet. Zudem werden Partei- oder Militärführer in Nordkorea nur selten aus gesundheitlichen Gründen entlassen. Auch Kim Jong Il blieb bis zu seinem Tod Staatsführer, obwohl er bereits Jahre zuvor von Krebs und Herzkrankheit gezeichnet war.

Ob Ris Amtsenthebung im Zusammenhang mit dem gescheiterten Raketentest vom April steht, lässt sich ebenfalls nicht bestätigen. Die nordkoreanische Regierung hatte demonstrativ eine Langstreckenrakete ins All schießen und damit die USA und Südkorea einschüchtern wollen. Sie stürzte allerdings eine Minute nach dem Start ins Wasser.

Die südkoreanische Regierung in Seoul bezeichnete die Amtsenthebung Ris als „äußerst ungewöhnlich“ und vermutet einen Machtkampf zwischen der nordkoreanischen Führung und dem Militär. Als besonders großer Widersacher Ris gilt Kims Onkel Chang Sung Taek. Seit März sei zu beobachten, dass die Gruppe um Chang an Einfluss gewinnt, sagte Andrei Lankov von der Kookmin Universität in Südkorea auf CNN. „Es scheint, dass Chang Sung Taek Leute entfernt, die für ihn und seinem Neffen eine Bedrohung darstellen.“

Politisch gilt Chang Sung Taek keineswegs als liberal. Im Gegenteil: Schon unter der Herrschaft seines Schwagers Kim Jong Il war er für die Innere Sicherheit des Landes zuständig und wurde zwischendurch auch als sein Nachfolger gehandelt.

Eine besonders unrühmliche Rolle soll er bei der Hungersnot 1998 gespielt haben. Als damaliger „Leiter der staatlichen Bemühungen um „Ersatznahrung“ ließ er minderwertige Materialien wie Blätter, Äste und Baumrinde ins Essen mischen. Tausende starben in dem Jahr den Hungertod.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.