Nothelferin Kleinherne im DFB-Team: Eine gute vierte Wahl
Sophia Kleinherne beherrscht die schwierige Kunst, dann zu überzeugen, wenn sie gebraucht wird. Das wird auch gegen Spanien sehr erwünscht sein.

Auch zwei Tage nach diesem so unbeschreiblichen Spiel gegen Frankreich scheiterte Sophia Kleinherne an der Aufgabe, diese Partie in Worte zu fassen. Sie sagte: „Wir haben jegliche Grenze bis ans Limit verschoben.“ Man hatte trotzdem ein Gefühl dafür, was sie meinte.
Die 25-Jährige hatte auf der Pressekonferenz am Montagmittag eine ungewohnte Rolle. Sie berichtete hautnah von ihren Erfahrungen auf dem Rasen. In der 20. Minute ersetzte sie die verletzte Sarai Linder auf beeindruckende Weise, als ob sie schon jahrelang fester Bestandteil der deutschen Abwehrkette wäre. Nicht eine Minute hatte sie bei dieser EM davor gespielt. Schon bei der WM 2023 hatte die Defensivspielerin damit zurechtkommen müssen, ohne eine Spielminute das Turnier von außen verfolgen zu müssen. Für die Olympischen Spiele in Paris 2024 war sie nicht einmal nominiert. Bei der letzten EM in England rutschte sie nur im bedeutungslosen dritten Gruppenspiel in die Startelf.
Besonders bitter musste es am Samstag vor Anpfiff für die 25-Jährige gewesen sein, dass sie offenbar nur noch vierte Wahl war. Nach den Ausfällen von Giulia Gwinn und Carlotta Wamser auf der rechten Außenverteidigerposition bevorzugte es Bundestrainer Wück, Sarai Linder in der Abwehrkette von links nach rechts zu versetzen.
Besondere Grundeinstellung
Ein Wort der Klage bekommt man aber von Sophia Kleinherne nie zu hören. Als sie zu Beginn der Pressekonferenz ihre Sitznachbarin und Teamkollegin Ena Mahmutovic lobte, die als dritte Torhüterin im DFB-Team am weitesten von Einsatzminuten entfernt ist, erzählte sie auch viel über sich und ihre Grundeinstellung. „Alle Spielerinnen“, sagte Kleinherne, „haben Einfluss auf die Teamleistung.“ Mahmutovic habe Charaktereigenschaften, die dem Team Rückenwind geben.
Den Kolleginnen den Rücken stärken, das ist im DFB-Team schon sehr lange die Aufgabe von Kleinherne. „Im Turnier muss jeglicher Egoismus hintangestellt werden“, sagte sie auch am Montag. Viele im Kader könnten das und hätten wie Giovanna Hoffmann oder Franziska Kett gegen Frankreich überzeugt. „Das ist auch die Kunst, dass man in dem Moment da ist, wenn man gebraucht wird.“
Vielleicht sind die Qualitäten von Kleinherne etwas zu unspezifisch. Sie kann sowohl als Innenverteidigerin als auch als Außenverteidigerin eingesetzt werden. Die Spezialistinnen auf den Positionen wurden ihr vorgezogen. „Man muss Spaß und Liebe daran finden, Tore zu verhindern“, sagt Kleinherne. Man habe im Spiel gegen Frankreich gesehen, dass man über die Defensive Spiele gewinne. Das stimme sie optimistisch für das Halbfinale gegen Spanien. Für das DFB-Team ist das tatsächlich eine neue Erkenntnis.
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