Obama und die Ölpest: Zur Kooperation verdammt

US-Präsident Obama nimmt die Öl-Katastrophe zum Anlass, die ins Stocken geratene Energiewende voranzutreiben. Doch er muss mit Katastrophenverursacher BP zusammenarbeiten.

Präsident Obama ist seit der Explosion viermal am Golf gewesen - doch Mehr als 52 Prozent der US-AmerikanerInnen meinen, dass ihr Präsident "nicht genug" tue. Bild: dpa

WASHINGTON taz | Auf den Tag genau acht Wochen nach der Explosion der Ölbohrplattform "Deepwater Horizon", die die größte Umweltkatastrophe der Geschichte des Landes ausgelöst hat, geht der Präsident der USA ins Fernsehen. Es ist die erste Ansprache von Barack Obama aus dem Oval Office im Weißen Haus. Sie wird live von den meisten Fernsehsendern übertragen. Der Präsident spricht 18 Minuten lang. Benutzt Worte wie "Krieg", "Angriff" und "Epidemie", verspricht eine bevorstehende Reduzierung des in den Golf von Mexiko ausströmenden Öls "um 90 Prozent", kritisiert die jahrzehntelange amerikanische "Sucht nach fossilen Brennstoffen" und spricht von der Notwendigkeit, alternative Energiequellen zu entwickeln - freilich ohne das Wort "Klimawandel" in den Mund zu nehmen. Und ohne Inhalte und Termin für das längst überfällige Klimagesetz zu fixieren.

Es ist eine ehrliche Ansprache, in der Obama Verständnis für die Sorgen der Opfer der Katastrophe im Golf von Mexiko zeigt. Und es ist eine nachdenkliche, in der er Wege in eine andere Energiezukunft andeutet. Aber ist es das, was seine Landsleute von ihm erwarten? US-Präsidenten sprechen zur Nation, wenn eine schwere Krise da ist. Obamas Amtsvorgänger taten es unter anderem, als die "Challenger" explodierte, die eheliche Untreue eines Präsidenten herauskam oder als das Land seinen "Krieg gegen den Terror" eröffnete.

Im konkreten Fall erwartet das Land ein Ende der anhaltenden Ölkatastrophe. Dass das verdammte Loch eineinhalb Kilometer unter der Wasseroberfläche gestopft wird. Dass die schier unendliche Flut von immer neuem Gift, die sich in den Golf ergießt, endlich versiegt. Und dass sich die Arbeiten auf Rettung, Säuberung und Zukunft konzentrieren können - sowohl im Golf von Mexiko als auch gegenüber den Mineralölkonzernen.

Seit acht Wochen paralysieren Horrorzahlen aus dem Mineralölkonzern BP die US-Öffentlichkeit. In den ersten Stunden nach der Explosion ist von 1.000 Barrel Öl die Rede. Dann werden es 5.000, dann 10.000, kurz vor der Ansprache von Obama sind es 60.000 Barrel Öl, die jeden Tag in den Golf strömen. Jedes Mal machen sich die US-Behörden die Unternehmenszahlen zu eigen.

Zu diesen Zahlen kommen andere Hiobsbotschaften hinzu - die ihrerseits durch den Filter von BP sickern und oft länger als nötig bis zur Öffentlichkeit brauchen. Die elf "Roughnecks", die bei der Explosion der Plattform ums Leben kamen, waren der Anfang. Seither sind ungezählte Tiere im Meer umgekommen, verschwinden täglich neue Arbeitsplätze und Hoffnungen an Land. Zuletzt häufen sich Berichte über erkrankte RettungsarbeiterInnen: Sie bekommen Kopfschmerzen, Hautausschlag und Atmungsprobleme, während BP sich weigert, Atemschutzmasken auszugeben. Am Tag der Oval-Office-Ansprache gibt der Chef von ExxonMobil, einem der mächtigsten Mineralölkonzerne der Welt, auch noch zu, dass BP keineswegs allein dasteht mit der Unfähigkeit, eine Ölkatastrophe zu bewältigen. "Wenn diese Dinge passieren, sind wir nicht dafür ausgerüstet", sagt Rex Tillerson vor dem Kongress.

Im Land wächst der Eindruck, dass die Rettungsarbeiten mit falschen Methoden, zu langsam und schlecht koordiniert vonstattengehen. Und dass der Verursacher kein Gegenüber hat, das mächtig genug wäre, ihn zu korrigieren. Mehr als 52 Prozent der US-AmerikanerInnen meinen, dass ihr Präsident "nicht genug" tue. Das sind Zahlen, die so schlecht sind wie jene von 2005, als Obamas Amtsvorgänger George W. Bush nach dem Hurrikan "Katrina" in Louisiana, dem auch jetzt hauptbetroffenen Bundesstaat, versagte. Hinzu kommt das lauter werdende Murren jener, die nicht einsehen wollen, dass ein sechsmonatiges Moratorium für neue Offshore-Bohrungen nötig sein soll. Die Obama-Verwaltung, die wenige Tage vor der Katastrophe noch neue Offshore-Lizenzen bewilligt hatte, legte diese Frist fest, um die Ursachen der Katastrophe herauszufinden.

Präsident Obama ist seit der Explosion viermal am Golf gewesen. Zuletzt am Tag seiner Ansprache. Er hat 40.000 Leute zu den Reinigungsarbeiten an den Golf geschickt. Und er kündigt im Fernsehen an, dass er einen neuen Mann, Michael Bromwich, zum neuen Chef der korrupten Aufsichtsbehörde MMS macht. Er wird "kein Partner", verspricht der Präsident.

Doch im Golf, wo das Öl strömt, muss Obama bei den Rettungsarbeiten mit dem Konzern zusammenarbeiten, der das alles verbockt hat. Und in Washington ist der Präsident, der alternative Energiequellen stärken und die Ölabhängigkeit seines Landes reduzieren will, auf die Zustimmung der Opposition angewiesen. Ihm - und den DemokratInnen - fehlt die Mehrheit, um ein neues Klimagesetz durchzubringen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.