Obamas zweite Amtszeit: Der angeschlagene Optimist

NSA-Skandal, Gesundheitsreform, Waffenrecht: Die Herausforderungen des US-Präsidenten erscheinen riesig. Kritik kommt vermehrt auch aus den eigenen Reihen.

Nur 46 Prozent der Amerikaner finden einer Gallup-Umfrage zufolge, dass Barack Obama seinen Job gut macht Bild: dpa

WASHINGTON dpa | Als US-Präsident Barack Obama am 20. Januar den Eid für seine zweite Amtszeit ablegte, versprach er rasche Fortschritte bei einer Reihe von Wahlkampfthemen, die seiner liberalen Wählerschaft am Herzen liegen: Einwanderungsreform, Waffenrechtsreform, Ende der Diskriminierung von Homosexuellen, höhere Steuern für die Reichen. Entscheidungen müssen nun getroffen werden, sagte Obama damals.

„Wir können uns keine Verzögerungen leisten.“ Also keine Polit-Spektakel, extremen Positionen oder sinnlosen Wortgefechte, stattdessen: Ernsthafte Bemühungen um Lösungen. Doch sechs Monate später hat Obama den Wind in seinen Segeln verloren, sagt der ehemalige Präsidentenberater David Gergen dem Magazin Politico.

„Die Öffentlichkeit hat völlig das Interesse verloren.“ Obamas Verbündete im Ausland sind verärgert wegen des Prism-Spähskandals. Der Kongress, vor allem das von Republikanern dominierte Repräsentantenhaus, verweigert die Kooperation und Obamas Beliebtheitswerte fallen Richtung Keller. Nur 46 Prozent der Amerikaner finden einer Gallup-Umfrage zufolge, dass er seinen Job gut macht.

Obama versprach, die Wirtschaft anzukurbeln, aber er hat wenig Spielraum. Die Arbeitslosenrate fiel seit Januar von 7,9 auf 7,6 Prozent, und die Wirtschaft wuchs im ersten Quartal um 1,8 Prozent. Eine leicht positive Entwicklung. Trotzdem stimmen nur 42 Prozent der Amerikaner seiner Wirtschaftspolitik zu. Dabei hatte das Jahr gut für Obama begonnen: Er konnte mit den Republikanern einen Deal über Steuererhöhungen für Reiche aushandeln.

Eine Woche nach dem Prozess um den getöteten schwarzen Teenager Trayvon Martin wollen Bürgerrechtler im ganzen Land auf die Straße gehen. Die größten Demonstrationen gegen den Freispruch des Todesschützen George Zimmerman werden in Florida und in New York erwartet.

Unterdessen hat sich auch Präsident Barack Obama sehr emotional zu Wort gemeldet. „Das hätte ich vor 35 Jahren sein können“, sagte Obama über den Toten. Das Urteil verursache bei Schwarzen Schmerz, weil die meisten selbst in ihrem Leben eine „Reihe von Erfahrungen“ gemacht hätten. Schwarze Männer in den USA seien es gewohnt, dass man sich vor ihnen fürchte. Nur wenige Afroamerikaner hätten noch nicht selbst erlebt, dass Frauen nervös ihre Handtasche umklammerten und die Luft anhielten, wenn ein Schwarzer in der Nähe sei, klagte der erste dunkelhäutige Präsident der USA.

Die Eltern des Toten reagierten gerührt. „Die Erklärung des Präsidenten gibt uns große Kraft in dieser Zeit“, teilten sie in einer Erklärung mit. Sie seien dankbar für die Gebete Obamas und seiner Frau Michelle. Die Bürgerrechtsbewegung National Action Network (NAN) unter dem schwarzen Bürgerrechtler Al Sharpton kündigte an, USA-weit in 100 Städten zu demonstrieren.

George Zimmerman hatte den 17-jährigen Martin erschossen, während er als Mitglied einer Bürgerwehr in Florida auf Patrouille war. Ein Geschworenengericht in Sanford sprach ihn vom Vorwurf des Mordes und Totschlags frei. Zimmerman hatte in dem Prozess stets beteuert, aus Notwehr gehandelt zu haben. (dpa)

Tiefe Einschnitte

Doch weitreichende Kürzungen, der sogenannte „Sequester“, brachten trotzdem tiefe Einschnitte und schaden Notenbankchef Ben Bernanke zufolge der Erholung der US-Wirtschaft. Bis zu 600.000 Jobs könnten dadurch verloren gehen. Die versprochene Verschärfung des Waffenrechts kam nicht zustande. Obama hatte dies nach dem Massaker an Grundschülern im US-Bundesstaat Connecticut im vergangenen Jahr zur Priorität gemacht. Hürden gibt es bei der Implementierung seiner Gesundheitsreform, einem der wichtigsten Erfolge seiner ersten Amtszeit.

Die Republikaner versuchen mit allen Mitteln, die Reform zu kippen; die Umsetzung in die Praxis gestaltet sich schwierig. Internationale Baustellen sind vor allem Ägypten und Syrien. Eine Reihe von Skandalen wirft zudem ein schlechtes Licht auf Obamas zweite Amtszeit: US-Journalisten wurden von der Regierung ausgespäht, und die Steuerbehörde nahm konservative politische Gruppen besonders aufs Korn.

Und dann das Spähprogramm des US-Geheimdienstes NSA. Der Aufdecker, Edward Snowden, sitzt seit Wochen auf einem Moskauer Flughafen, was das ohnehin schon schwierige Verhältnis mit Russland noch mehr belastet. Verbündete in Europa sind sauer, Strahlemann Obamas Image angekratzt. Obwohl er selbst früher im Senat saß, wirbt Obama kaum direkt beim Kongress für seine Pläne. Stattdessen mobilisiert er die demokratische Basis. So mindert er das Risiko eines Gesichtsverlusts, wenn die Republikaner konkrete Forderungen abschießen, meinen Beobachter.

Einwanderungsreform

Kritik kommt auch von Demokraten: Obama sei passiv, reagiere nur, heißt es da. Er übe keine starke Führungsrolle aus, meinte ein Insider gegenüber dem National Journal. Es sei fraglich, ob er das Ruder nochmals herumreißen könne. Die Einwanderungsreform ist Obamas größte Chance auf einen Erfolg. Der Senat stimmte für ein Gesetz, dass etwa elf Millionen illegalen Einwanderern einen Weg zur US-Staatsbürgerschaft öffnet.

Die Republikaner im Repräsentantenhaus aber wollen ein weit schärferes Gesetz. Trotz aller Schwierigkeiten und Verzögerungen gilt auch bei der Gesundheitsreform ein positives Endergebnis als wahrscheinlich. Die Demokraten haben sich bereits auf die Suche nach einem Kandidaten für die Wahlen 2016 gemacht. Viele hoffen, dass Hillary Clinton noch einmal in den Ring steigt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.