Reform der Öffentlich Rechtlichen: Erst Süßes, dann Saures
Die Debatte um die Rundfunkreform ist nur scheinbar zu Ende. Denn solange die Medienpolitik keine Mehrheitspolitik ist, geht der Grusel weiter.
D ie Halloween-Woche hat der deutschen Medienpolitik einen süßsauren Erfolg beschert. Der Reformstaatsvertrag fürs Öffentlich-Rechtliche schaffte es in Sachsen durch den Landtag. Was daran lag, dass Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) schaurig schön mit den Linken um die Häuser zog, Unvereinbarkeitsbeschluss hin oder her.
Die noch ausstehenden Zustimmungen aus NRW, Niedersachsen und Brandenburg sind Formsache. Damit ist das Ding durch, die Reform allerdings noch lange nicht. Zwar gab es passend zu Halloween „Süßes“ mit der knappen Mehrheit aus Dresden. Doch das „Saure“ folgt auf dem Fuß. Denn die ebenfalls zu reformierende oder wenigstens zu klärende Finanzierung von ARD, ZDF und Deutschlandradio ist und bleibt nicht mehrheitsfähig. Ohne die ist aber keine Gesamtreform zu haben, die auch nur bis nächstes Halloween hält.
Dabei hatten alle 16 Bundesländer den großen Kompromiss-Kürbis schon ausgehöhlt, wie künftig der „Finanzbedarf“ der Anstalten und damit der Beitrag ermittelt und angepasst werden soll. Aber zwei Rübengeister pusteten gleich schon wieder die Kerze aus. Bayern und, na hallo, Sachsen wollen erst mitspielen, wenn die Öffentlich-Rechtlichen mit dem Klingeln aufhören und auf die Süßigkeiten, also die eigentlich schon für dieses Jahr geplante Beitragserhöhung, verzichten.
Dieses „Trick or treat“ bringt die Medienpolitik an ihre Grenzen, weil sie von allen sechzehn Bundesländern einstimmig beschlossen werden muss. Damit kann einE einzigeR Geisterfahrer*in alles wieder einreißen. Dieses Gespenst geht auch im Beitragskompromiss um. Der sieht vor, dass eine Erhöhung zwischen einem und fünf Prozent nicht von allen 16 Ländern beschlossen werden muss. Sondern, dass umgekehrt nach einem abgestuften Verfahren sich ein bis drei Länder gruseln und widersprechen müssen. Sonst kommt die Erhöhung automatisch.
Das Einstimmigkeitsprinzip wird so ein bisschen verwässert wie die Kürbissuppe, wenn mehr Gruselmonster gekommen als geladen sind. Aber das reicht nicht. Halloween ist das Fest der Toten und Untoten. Und von denen gibt es in der Medienpolitik reichlich.
Der ganz normale Spuk
Um hier ein für allemal den heidnischen Sumpf trockenzulegen, muss aus Medienpolitik Mehrheitspolitik werden. Gemeint sind dabei echte Mehrheiten und kein Bedarfsveto wie jetzt vorgesehen. Ja, hier müssen die Landtage Macht abgeben. Aber es ist gefühlte Macht, die sie schon heute nicht haben. Eben, weil die Parlamente von ihren Ministerpräsident*innen ausgehandelte Verträge nur abnicken oder destruktiv vor die Wand fahren können.
Dass so eine Selbstentmachtung nur in der Nacht des Grauens beschlossen werden kann, versteht sich. Termin ist also nächstes Jahr an Halloween. Bis dahin kann sich Kretschmer schon mal wie am letzten Mittwoch verhalten und Sachsens „Trick“ in Sachen Beitrag in einen „Treat“ verwandeln. „Der ganz normale Spuk, wie immer in der Politik“, meint die Mitbewohnerin.
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