Ökolandbau oder Schweinemast?: Kampf ums Ackerland
Ein Biobauernpaar droht seine wichtigste Fläche zu verlieren. Die Landwirtschaftskammer NRW will nicht, dass eine Genossenschaft sie kauft.

Hoffmanns und Büchler sind 32 und 35 Jahre alt. Die studierten Ökolandwirte gehören zu den wenigen jungen Leuten, die in Deutschland noch einen Bauernhof gründen. Sie wollen, dass die 5,7 Hektar, die sie bisher von einer Erbengemeinschaft pachten und die jetzt zum Verkauf stehen, künftig der Genossenschaft Kulturland gehören. Die will die rund acht Fußballfelder große Fläche dauerhaft an die beiden verpachten. Genossen können den Landkauf mitfinanzieren.
Manchen gilt das junge Paar als ein Lichtblick im eher düsteren Szenario, das sich in der deutschen Landwirtschaft abspielt: Immer mehr Betriebe schließen. Die verbleibenden werden noch größer, obwohl viele kleine Höfe oft mehr Artenvielfalt und Arbeitsplätze bieten als wenige große. Die meisten Verbraucher haben keine Beziehung zu den Erzeugern ihrer Lebensmittel.
Doch nun drohen die Jungbauern genau die Äcker zu verlieren, die sie wegen ihrer Nähe zu den Kunden als wichtigste ihres Hofes bezeichnen und seit 2022 bewirtschaften. Denn gemäß Grundstückverkehrsgesetz dürfen die Behörden den Verkauf von Agrarland untersagen, wenn er „eine ungesunde Verteilung des Grund und Bodens bedeutet“. In diesem Fall ist die Behörde die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen – und die hat ihr Veto eingelegt. Ihr zufolge ist die ungesunde Verteilung schon deshalb gegeben, weil die Genossenschaft keine Landwirtin sei.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Auf dem Spiel steht eine Agrar-Alternative
Die Biolee-Leute haben geklagt, der Fall geht in die zweite Instanz. Deshalb hat er bundesweite Signalwirkung: Je nachdem, wie das Oberlandesgericht Hamm nach der Verhandlung am 9. September entscheidet, könnten am Gemeinwohl orientierte Bodenfonds es leichter oder schwerer haben, Flächen für Biobetriebe zu erwerben. Auf dem Spiel steht eine Alternative zum klassischen Agrareigentum.
Für die Landwirtschaftskammer, die offizielle Selbstverwaltung der Bauern in NRW, steigt Margarete Kreyenkötter in den Ring. Die Justitiarin arbeitet in der Zentrale der Kammer, einem Ziegelbau in Münster mit einer großzügigen Lobby, in der überlebensgroße Fotos von Tieren und Pflanzen hängen. Kreyenkötter wirkt mit Jeans und Strickjacke leger, ist in der Sache aber knallhart. Nein, zum konkreten Fall wolle sie sich nicht äußern, sagt sie. Allgemein findet sie: „Der Gesetzgeber gibt ganz klar vor: Grundsätzlich sollen landwirtschaftliche Flächen von Landwirten im Sinne des Grundstücksverkehrsgesetzes erworben werden.“ Da habe die Kammer keinen Ermessensspielraum. „Wir können nur das tun, was das Gesetz vorgibt“, sagt Kreyenkötter.
Der erste Prozess über den Fall fand vor dem Amtsgericht Münster statt. Die Tochtergesellschaft der Genossenschaft, die die Äcker für Biolee kaufen will, verwalte nur Vermögen, argumentierte damals die Landwirtschaftskammer. Es gebe aber einen Bauern aus der Region, der die Flächen ebenfalls erwerben möchte. Der habe bereits 1.800 Schweine, bewirtschafte 88 Hektar, die Hälfte davon sei sein Eigentum, der Rest gepachtet. Kulturland zufolge handelt es sich um einen konventionellen Schweinemäster.
In einem Gewächshaus neben einem der umstrittenen Felder sitzen Büchler und Hoffmanns auf Holzbänken. Am Ende des Folientunnels wachsen Tomaten, ein paar liegen in einer Schale auf dem Tisch. Anders als Kreyenkötter sagt Büchler: „Das Gesetz lässt der Kammer einen großen Interpretationsspielraum.“ Eigentumsmodelle wie die von Biolee und Kulturland seien genau das Richtige für eine „gesunde Verteilung“ des Agrarlandes und eine „Verbesserung der Agrarstruktur“, wie sie das Gesetz fordert. Büchler zufolge leisten sie einen Beitrag gegen den Nachwuchsmangel in der Branche und für eine umweltfreundliche, bäuerliche Landwirtschaft.
Hürde für jene, die keine Höfe erben
Nur mit Hilfe der Genossenschaft könnten Büchler und Hoffmanns dort ihren Hof weiterführen. Schließlich müsse die Erbengemeinschaft das Land verkaufen, die Jungbauern könnten die mehr als 600.000 Euro aber nicht auf den Tisch legen. Die hohen Bodenpreise sind eine Hürde für viele Existenzgründer in der Landwirtschaft, für jene, die keine Höfe erben.
Zwar stimme es, dass die Tochterfirma der Kulturland-Genossenschaft nicht selbst Geld mit Landwirtschaft verdient, räumt Büchler ein. „Aber ich bin ja nun eindeutig Landwirt“, sagt er. „Und ich bin Komplementär der Tochtergesellschaft. Das heißt, ich habe ein Vetorecht bei allen Entscheidungen darüber, was der Eigentümer mit der Fläche machen will. Das ist mehr als nur eine normale Pacht.“ Der Pachtvertrag werde auf 30 Jahre geschlossen, schon jetzt kündigt die Gesellschaft eine Option auf weitere 30 Jahre Pacht an. Üblich seien sonst nur 5 Jahre. „Das kommt einem Eigentumsverhältnis sehr nahe.“
Im Gesellschaftsvertrag der Tochterfirma steht auch, dass sie den Zweck hat, die Flächen für den Ökolandbau „des Komplementärs“ zu sichern. Büchler sagt: „Die Idee des Grundstücksverkehrsgesetzes ist, landwirtschaftlichen Boden für bäuerliche Produktion vorzuhalten und zu sichern. Genau das passiert hier.“ Die Kulturland-Genossenschaft sichere die Flächen sogar viel stärker. Ein Bauer, der die Fläche kauft, könne sie später weiterverkaufen – zum Beispiel, wenn dort ein Industriegebiet entstehen soll. Kulturland mache sie zu einem „Gemeingut“, das an die Landwirtschaft gebunden sei.
Dass die Biolee-Leute mit dieser Argumentation nicht allein sind, zeigt das Urteil des Amtsgerichts Münster zu ihrem Fall. Das entschied im August 2024 zugunsten der Hof-Inhaber, dass die Kulturland-Tochterfirma eine Landwirtin sei und dass der Verkauf an sie „gerade nicht“ der „Verbesserung der Agrarstruktur“ schade. Doch die Landwirtschaftskammer legte Beschwerde gegen das Urteil ein, sodass sich nun die zweite Instanz mit der Sache befassen muss.
Der Rechtsstreit sei anstrengend, erzählt Hoffmanns. Ständig plagt sie die Angst, das Herzstück ihres Hofs zu verlieren. Aber sie könne der Sache mittlerweile auch etwas Positives abgewinnen. „Ich habe die Hoffnung, damit auch so ein bisschen einen Weg zu ebnen für andere, die genau vor der gleichen Situation stehen“, sagt auch Büchler. Wenn die beiden vor dem Oberlandesgericht Recht bekommen sollten, würde das auch anderen Bauern helfen, über Genossenschaften an Land zu kommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Gespräch mit einem Polizisten
„Manchmal wird bewusst unsauber gearbeitet“
Tübinger OB diskutiert mit AfD-Politiker
Die Boris-Palmer-Show
Bully Herbigs aktuelle Winnetou-Parodie
Relativ unlustig
Höhere Bemessungsgrenzen
Gutverdienende sollen mehr Sozialabgaben zahlen
Wir Boomer
Menno, habt Ihr’s gut!
Prozess gegen Flüchtlingshelfer
Hilfe als Straftat?