Ökonom Illing zur Krise: „Deutschland tut der Euro gut“

Wenn die Währung zerbricht, dann eher an Finnland als an Griechenland, sagt der Ökonom Gerhard Illing. Aber auch durch ständiges Reden darüber.

Im Fegefeuer der nationalen Interessen: Die europäische Gemeinschaftswährung. Bild: dapd

taz: Herr Illing, glauben Sie, dass der Euro überlebt?

Gerhard Illing: Das hängt von den Politikern ab. Ich werde aber zunehmend pessimistisch, weil Politiker und Medien immer häufiger darüber reden, dass der Euro auseinanderbrechen könnte.

Warum soll reines Reden den Euro ruinieren?

Das kann schnell zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung werden. Keiner will dann mehr in den südeuropäischen Ländern investieren – dies wäre ja später viel billiger, sobald Lira oder Drachme wieder eingeführt würden. Gleichzeitig flieht das Sparkapital aus Südeuropa ins scheinbar sichere Deutschland. All dies löst eine tiefe Rezession aus, die es immer wahrscheinlicher macht, dass der Euro auseinanderbricht.

Wer verlässt den Euro als Erstes? Griechenland?

Kaum. Die Griechen wollen im Euro bleiben. Es gibt auch gar keine rechtliche Handhabe, sie auszuschließen. Eher könnten die Finnen diesen Bruch wagen.

ist VWL-Professor in München. Er ist Autor eines Standardwerks zur Makroökonomie, das er zusammen mit dem IWF-Chefökonomen Oliver Blanchard verfasst hat.

Warum Finnland?

Die Geschichte zeigt: Wenn Währungsunionen auseinanderbrechen, dann sind es in der Regel reiche, kleine Länder, die als Erstes gehen.

Viele Deutsche wären froh, wenn der Euro auseinanderbricht. Bei Umfragen sagt etwa die Hälfte, sie wolle die D-Mark zurückhaben.

Ich kann nur davor warnen, den Euro aufzugeben. Das gäbe ein ganz böses Erwachen. Denn die neue DM hätte ja den Ruf, sehr stabil zu sein – Fluchtgeld aus allen Nachbarländern würde hierher drängen. Die neue DM würde enorm aufwerten.

Wo läge der Kurs ungefähr?

Es ist naturgemäß spekulativ, aber er könnte durchaus auf 1,80 Dollar steigen, denn die Finanzmärkte neigen immer zu Übertreibungen. Zum Vergleich: Momentan liegt der Eurokurs bei etwa 1,25 Dollar.

Deutsche Urlauber würden sich freuen: Mit einer starken DM könnten sie billig nach Italien oder Griechenland reisen.

Eine solche Aufwertung wäre verheerend: Die deutschen Exporte würden einbrechen, die Arbeitslosigkeit stark ansteigen, und viele deutsche Banken wären pleite, weil Italien oder Spanien ihre Euroschulden nicht mehr bedienen könnten.

Aber die Bundesbank könnte eingreifen und den D-Mark-Kurs nach unten drücken?

Viele machen sich völlig falsche Vorstellungen, wie dies funktioniert. Wenn die Bundesbank die Devisen kauft, müsste sie die erworbenen Lira oder Francs auch irgendwo anlegen – und zwar in Staatsanleihen der jeweiligen Länder. Damit aber würde Deutschland die Staatshaushalte von Italien oder Frankreich finanzieren – genau das, was die deutsche Regierung jetzt verhindern will.

Das Ergebnis wäre also paradox: Wenn die DM kommt, würde Deutschland zum Zahlmeister Europas. Um wie viel Geld würde es denn gehen?

Hier lohnt sich ein Blick in die Schweiz, die ja ebenfalls als sicherer Hafen gilt. Im Kampf gegen die Aufwertung sind dort die Devisenreserven von 80 auf über 400 Milliarden Franken angestiegen – dies entspricht gut 50 Prozent der Schweizer Wirtschaftsleistung. Es geht also um sehr große DM-Summen, die die Bundesbank zusätzlich drucken müsste.

Ist das nicht genau das, wovor sich die Eurokritiker am meisten fürchten?

Dies ist ein weiteres Paradox: Die Eurokritiker wollen auf gar keinen Fall, dass in der Eurokrise jetzt die EZB interveniert, weil dies die Geldmenge erhöhen könnte. Doch sie machen sich nicht klar, dass es viel schlimmer kommen würde, wenn wir die DM hätten. Der Euro ist die billigste Lösung.

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