Ökonom über Trumps Drohungen: „Die Strafzölle sind irrwitzig“

Die Handelspolitik von US-Präsident Trump bedroht den Wohlstand in Europa, warnt der Chef des gewerkschaftsnahen Wirtschaftsinstituts IMK.

US-Präsident Trump, als er am vergangenen Freitag in Washington im Beisein von Stahlarbeitern Strafzölle ankündigt

US-Präsident Trump, als er am vergangenen Freitag in Washington im Beisein von Stahlarbeitern Strafzölle ankündigt Foto: ap

taz: Herr Horn, einige Ökonomen sagen, sie könnten Trumps Strafzölle als letztes drastisches Mittel, um das riesige US-Handelsbilanzdefizit zu senken, zumindest nachvollziehen. Können Sie Trump verstehen?

Gustav Horn: Ich kann das Grundproblem nachvollziehen: Die Europäer – insbesondere die Deutschen – haben einen riesigen strukturellen Überschuss. Das führt zu einem enormen Ungleichgewicht. Aber alles Weitere kann ich bei Herrn Trump nicht verstehen: Die Strafzölle sind ein Schuss, der nach hinten losgeht, auch aus amerikanischer Sicht. Denn die US-Verbraucher wie auch amerikanische Unternehmen werden unter diesen Strafzöllen leiden. Alle US-Firmen, die Stahl als Vorprodukt verbrauchen, werden höhere Kosten haben. Und das wird Arbeitsplätze kosten. Ökonomisch ist das irrwitzig.

Mittlerweile beträgt das Handelsdefizit der USA über 500 Milliarden Dollar, daran schuld ist auch Exportweltmeister Deutschland. Was schlagen Sie vor?

Dass man mit den Deutschen reden muss, ist klar. Eine andere Geschichte ist, ob es in dieser Art und Weise geschehen soll. Denn wenn solche Zölle erhoben werden, führt das zwangsläufig zu Gegenmaßnahmen der Europäer. Am Ende schadet das den normalen Menschen, die ja angeblich geschützt werden sollen. In der Summe erhält Trump weniger Arbeitsplätze in der US-Stahlindustrie, als er in anderen Branchen vernichtet. Die Amerikaner könnten ja durchaus eine andere Drohkulisse aufbauen: die Abwertung des Dollars. Das würde das Überschussproblem mit Europa schnell lösen.

Warum sind die Bilanzüberschüsse und -defizite eigentlich so schwerwiegend? Immerhin läuft die Wirtschaft beiderseits des Atlantiks relativ gut.

Die hohen Ungleichgewichte beinhalten die Gefahr eines Absturzes – und einer Gegenreaktion: Wenn beispielsweise die Märkte sagen, die Verschuldung der USA wird einfach zu groß, dann sind Wechselkurs- und überhaupt globale Turbulenzen sehr wahrscheinlich. Ein nachhaltiger Aufschwung mit in etwa ausgeglichener Handels- und Leistungsbilanz wäre besser.

Jahrgang 1954, leitet das Institut für Makroökonomie und Konjunktur­forschung (IMK) in der gewerk­schafts­nahen Hans-­Böckler-Stiftung. Der Ökonom lehrt außerdem an den Universitäten Flensburg und Duisburg­-Essen.

Schon die Bushs und ­Obama haben ja versucht, die Ungleichgewichte einzudämmen. Passiert ist wenig.

So kann man das nicht sagen. Wir sind in Deutschland zumindest auf dem richtigen Weg. Anders als im vergangenen Jahrzehnt sind unsere Lohnabschlüsse mittlerweile so, dass sie die Tendenz zum Überschuss nicht weiter erhöhen. Wir müssen jetzt unsere Binnennachfrage weiter ankurbeln – dann wird sich der Außenhandelsüberschuss auch langsam abbauen.

Wie soll das geschehen? Durch weiter relativ hohe Lohnabschlüsse. Das ist auch angesichts eines drohenden Handelskriegs von Bedeutung. Es kann auch durch höhere öffentliche Investitionen geschehen, die unsere Importe erhöhen. Schnell wird es allerdings nicht gehen.

Sind die von der Groko angekündigten Investitionen und die „schwarze Null“ im Etat ausreichend?

Auch hier: Schritte in die richtige Richtung, die man über Jahre beschreiten muss.

Ist die EU-Strategie richtig, im Gegenzug Jeans oder Harley-Davidsons zu verteuern?

Das ist eine intelligente Politik der Nadelstiche. Es handelt sich ja im Grunde genommen nur um marginale Produkte. Sie schadet aber sicherlich den Amerikanern lokal stark – auch einflussreichen Abgeordneten wie dem Sprecher der Republikaner im US-Repräsentantenhaus aus Wisconsin, Paul Ryan.

Gäbe es eigentlich das Problem, wenn wir jetzt das europäisch-amerikanische Freihandelsabkommen TTIP hätten – und also keine Zölle mehr?

Wenn ich mir TTIP hätte selber gestalten können, sicherlich nicht. Aber bei dem Abkommen, das geplant war, gab es beispielsweise die Schiedsgerichte – und somit eine unzumutbare politische Entmündigung.

Ausgerechnet von ganz links gibt es Stimmen, die begrüßen, dass Trump die Globalisierung in die Schranken weist. Was sagen Sie dazu?

Die Globalisierung ist ja nicht per se böse – sie ist auch eine Wohlstandsquelle. Das Problem ist ein anderes: Wir verteilen diesen Wohlstand viel zu ungerecht. Da hapert es!

Ihre Prognose: Gibt es einen Handelskrieg?

Herr Trump ist nicht dafür bekannt, dass er sich schnell geschlagen gibt, er eskaliert. Er hat ja auch politische Motive dafür – wenn auch wenig Rücksicht auf ökonomische Zusammenhänge. Deshalb fürchte ich, dass wir in eine sehr unruhige Phase der Weltwirtschaft gehen, die auch den Aufschwung in Europa bedrohen könnte.

Sehr bedrohen?

Er ist bedroht. Wenn wir richtig reagieren und unsere Binnennachfrage stimulieren, können wir den Sturm aber überstehen.

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