Offener Brief der Freien Kulturszene: Neue Kulturpolitik gefordert

Rund 80 Künstler verlangen mehr Unterstützung für ihre Arbeit. Die bisherige Förderung reiche bei weitem nicht aus.

Sie hat auch unterschrieben: Choreographin Sasha Waltz. Bild: ap

Über Kulturpolitik wird derzeit gestritten, als ginge es um den Untergang des Abendlandes. Nachdem vier Kulturmanager und Hochschulprofessoren am Montag im Nachrichtenmagazin Der Spiegel für die Schließung der Hälfte aller Kultureinrichtungen (Theater, Museen und Bibliotheken) in Deutschland plädierten und radikale Kürzungen des Subventionssystems forderten, haben am Dienstag in Berlin Kulturinstitutionen zurückgepoltert.

Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats in Berlin, Olaf Zimmermann, wetterte gegen diese populistische „Küchentisch-Kulturpolitik“ im Spiegel. Zugleich forderte eine „Koalition“ unterschiedlichster Künstler der freien Szene ebenfalls eine „Kehrtwende in der Berliner Kulturpolitik“ – allerdings eine Kehrtwende hin zu mehr Subventionen.

Die rund 80 Institutionen und Künstler listeten in einem spektakulären „Offenen Brief an die Stadt“ ihre Vorschläge und Konzepte „in 10 Punkten für eine neue Kulturpolitik“ auf. Mehr Mittel aus dem Berliner Kulturetat und aus dem Hauptstadtkulturfonds (HKF) für die Bereiche bildende Kunst, neue Medien, Schauspiel, Tanz, Musik und Architektur lautet eine zentrale Forderung. Ebenso sollten Gelder aus der geplanten „Citytax“ an die Szene fließen.

Nach Ansicht der UnterzeichnerInnen – darunter die frühere Hebbeltheater-Intendantin Nele Hertling, Leonie Baumann von der Kunsthochschule Weißensee, die Choreografin Sasha Waltz oder Andreas Richter von der Neuköllner Oper – sei eine „substanzielle Aufstockung der disponiblen Mittel im Kulturetat nötig“. Nur 11 Millionen Euro vom Land Berlin und die Summe von 9,5 Millionen vom HKF für freie Projekte jährlich „entsprechen nicht den Notwendigkeiten der freien Szene“.

In dem Brief heißt es weiter: „Die Tatsache, dass die Summe aller institutionellen Förderungen kontinuierlich zunimmt und im Gegenzug die Mittel für freie Strukturen immer weiter abgesenkt werden, ist nicht mehr hinnehmbar und wirkt vor dem Hintergrund von Slogans wie ’Kultur bewegt‘ geradezu zynisch.“ Diese Vergabepraxis „zementiert das Fördersystem“, statt es flexibel zu gestalten.

Eine andere wesentliche Forderung besteht darin, dass die schlechten Arbeitsbedingungen der freien Theatermacher und bildenden Künstler verändert werden müssen. So kritisieren die Autoren des Schreibens die Liegenschaftspolitik des Senats und plädieren für ein „Moratorium zum Verkauf von Landesimmobilien“. Es müsse geprüft werden, ob diese Grundflächen und Gebäude nicht vorrangig an die kulturellen Projekte vergeben werden könnten. „Stadtentwicklungspolitik ist Kulturpolitik“, heißt es in dem offenen Brief weiter.

Die Kulturverwaltung reagierte auf den Brief am Dienstag diplomatisch. Es sei gut, sagte Torsten Wöhlert, Sprecher der Verwaltung, dass die Szene gemeinsam Vorschläge mache. Ob diese in die laufenden Etatverhandlungen einfließen könnten, glaube er allerdings nicht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.