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Ohne FlugzeugWie Ak­ti­vis­ten zur Klimakonferenz nach Brasilien reisen

Der Ort der Weltklimakonferenz ist schwer zu erreichen, wenn man nicht fliegen will. Drei Gruppen versuchen es dennoch – mit verschiedenen Methoden.

Auf dem Weg zur COP: Klimaaktivistin Katrin Henneberger Foto: Katrin Henneberger

Am 10. November startet die nächste große Weltklimakonferenz, auf der die Staatengemeinschaft erneut über globale Maßnahmen zur Klimapolitik diskutieren wird. Die meisten Teil­neh­me­r:in­nen werden mit dem klimaschädlichen Flieger anreisen. Dass es auch anders geht, zeigen Gruppen von Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen aus aller Welt.

Der diesjährige Austragungsort Belém im brasilianischen Bundesstaat Pará liegt sowohl an der Mündung des Amazonas-Flusses als auch an der Küste des Atlantischen Ozeans. „Warum zur COP fliegen, wenn man segeln kann?“, dachte sich daher eine Gruppe internationaler Aktivist:innen, und machte sich mit der Flotilla 4 Change von Europa aus auf den Weg über den Atlantik.

Mitte Oktober ist die Flotte mit insgesamt sechs Segelbooten von Teneriffa aus losgesegelt. Wenn die Winde günstig sind, wollen sie pünktlich zum Start der Weltklimakonferenz am 10. November in Belém ankommen.

„Wir wollen der fossilen Industrie die Stirn bieten. Sie wird wieder auf der Konferenz sein, sie wird massivste Lobbyarbeit machen, und deswegen ist es wichtig, dass die globale Bewegung für Klimagerechtigkeit auch dort ist“, erklärt die frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete Kathrin Henneberger der taz. Die Klimaaktivistin ist mit an Bord der Flotilla 4 Change. „Wir fordern einen völkerrechtlich verbindenden Vertrag für den Ausstieg aus den Fossilen.“ Besonders wichtig sei ihr dabei die Zusammenarbeit mit indigenen Ver­tre­te­r:in­nen und Gemeinden, die stark von fossilem Extraktivismus betroffen und von den Folgen der Erderhitzung direkt bedroht sind.

Indigene reisen von den Anden bis zum Atlantik

Indigene Klima- und Men­schen­rechts­ak­ti­vis­t:in­nen waren in der Vergangenheit häufig von Klimakonferenzen ausgeschlossen, weil die Anreisekosten zu hoch waren. Die Lage der diesjährigen Weltklimakonferenz im Amazonasgebiet erlaubt es ihnen dagegen, an der Konferenz direkt teilzunehmen. Eine weitere Flotilla – die Yaku Mama Amazon Flotilla – hat sich auf den Weg gemacht, von den Anden mit Booten über den Amazonas bis nach Belém zu fahren. Sie besteht aus einem Bündnis von indigenen Völkern, Kommunen, Organisationen und Verbündeten. Ihre 3.000 Kilometer lange Reise führt sie von Ecuador durch Kolumbien und Peru bis nach Brasilien. Unterwegs sollen sich immer mehr Menschen mit Booten anschließen.

Wir wollen der fossilen Industrie die Stirn bieten

Kathrin Henneberger, Klimaaktivistin

„Wir werden nicht um einem Platz am Tisch bitten, sondern verlangen, dass klimapolitische Entscheidungen auf der Weisheit derer aufgebaut werden, die Leben beschützen“, schreiben sie auf Instagram.

Sie verfolgen vier konkrete Ziele: indigenes Land verteidigen, direkte und gerechte Klimafinanzierung fordern, indigenen Menschen die Teilnahme an der Klimakonferenz sichern sowie die Rechte indigener Völker in das Zentrum klimapolitischer Entscheidungen zu tragen.

Aktuell befindet sich die Amazon Flotilla im brasilianischen Amazonas. Dort ist vor einigen Tagen auch noch ein weiteres Bündnis von Ak­ti­vis­t*in­nen angekommen: die Mittelamerikanische Karawane für Klima und Leben. Vom Süden Mexikos über Guatemala, El Salvador, Honduras, Panama, Kolumbien und schließlich Brasilien ist die Gruppe neben einigen Teilstrecken per Flugzeug größtenteils mit Bussen und Booten unterwegs.

Karawane sammelte Beschwerden

In jedem Land, das sie auf ihrer Reise durchquerten, verbrachte die Karawane mindestens zwei ganze Tage. „Am ersten Tag gab es meistens ein Treffen mit lokalen Gruppen und am zweiten Tag in der Regel eine öffentliche Aktion, zum Beispiel vor Umweltministerien oder dem Internationalen Gerichtshof“, erzählt Johanna Zabel, Studentin und Mitglied im Jugendverein Klimadelegation. „Die genaue Ausgestaltung der Veranstaltungen konnten jedoch die indigenen Gemeinschaften vor Ort entscheiden.“ Zabel ist bei der Karawane privat als einzige Deutsche dabei.

Die Idee für die Karawane entstand 2024 auf der alternativen Klimakonferenz AntiCOP im mexikanischen Oaxaca. Viele Kon­fe­renz­teil­neh­me­r*in­nen sind auch jetzt wieder dabei. Für sie ist die COP „kein echter Raum, der die Bedürfnisse und Kämpfe der Menschen und Gemeinden repräsentiert, die am stärksten von der Klimakrise betroffen sind aber auch am meisten für den Erhalt einer lebenswerten Welt kämpfen“, sagt Zabel.

Auf ihrer Reise haben sie bereits einen Bericht mit Beschwerden der einzelnen Menschen geschrieben, die sie unterwegs getroffen und begleitet haben. Diese Beschwerden haben sie in Costa Rica dem Interamerican Court of Justice übergeben.

Auf der Klimakonferenz wollen sie versuchen, ihre rechtlichen Forderungen weiter voranzutreiben und alternative Events wie den Peoples' Summit oder COP das Baixadas zu besuchen, so Zabel. Das Ziel sei es letztlich, „ein Netzwerk von Gemeinschaften, Kollektiven und Widerstandsbewegungen aufzubauen, die sich im Globalen Süden für das Klima und das Leben einsetzen“, erklärt die Studentin.

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5 Kommentare

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  • Der erste Weg zu konsequentem Klimaschutz wäre ein öffentlichkeitswirksamer Verzicht auf Klimakonferenzen vor Ort.



    In der pöhsen Industrie werden internationale Treffen seit einigen Jahren häufig per Videocall durchgeführt. Da müssen keine Regierungsmitglieder samt Wasserträgern und Lobbyisten durch die Welt gekarrt werden. Das geht genausogut zu Hause vorm Monitor. Mit viel viel weniger CO2-Emissionen aus Kerosin oder für die Produktion nicht oder nur schwer recyclebarer GFK-Boote.

  • Ich frage mich immer wie Klimaktivisten an solche Segelboote kommen? Das ist doch Millinärsspielzeug und kostet locker ne halbe Million. Hergestellt aus klimaschädlichen Verbundwerkstoffen. Und nach Teneriffa sind die doch nicht geschwommen. Da Frage ich mich ob die 5-6 Stunden mehr Flug nach Brasilien weniger Co2 verbrauchen als die ganze Flotille mit Material, Müll ggf. Treibstoff etc. Scheint mir jetzt ein reiner Marketing-Gag zu sein.

  • Einen völkerrechtlich bindenden Vertrag kann es nicht geben. Was will denn die UN machen wenn sich ein Land nicht daran hält. Bestrafen kann es niemand .Das ist eine Statengemeinschaft.

    Alle UN Konventionen sind unverbindliche Absichtserklärungen. Und es gibt Länder die sind nicht in der UN vertreten

    Beispiel:

    www.menschenrechtserklaerung.de/



    Mit der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ haben die Vereinten Nationen ein Resolution verfasst,

    die als Absichtserklärung die darin enthaltenen Menschenrechte

    in möglichst allen Staaten durchsetzen und schützen will.

  • Netter Versuch Einfluss zu nehmen - aber die Vorstände von Saudi Aramco, Exxon Mobil, Chevron, Shell, PetroChina, Total Energies, ConocoPhilipps, CNOOC, Enbridge und Southern Company lächeln da nur milde.



    Und vergessen wir nicht, der verwöhnte Bewohner der Industrienationen möchte weder auf seinen Verbrenner, noch auf seine Flugreisen nach Malle oder auf die Seychellen verzichten - und im Alter dann auch nicht auf die Kreuzfahrt zum Nordkap.



    Als beinharter "Otrovertierter" mache ich da natürlich nicht mit.

  • Medienwirksam aber nicht unbedingt sinnvoll. 30 Tage für die Anreise (plus nochmals die selbe Zeit für den Heimweg) können sich die allerwenigsten leisten. Mir zB. zahlt niemand 60 Tage "Reiseurlaub".



    Und wehe ein Notfall tritt ein, wegen Wetter oder Krankheit, dann wird ein aufwendiger Rettungseinsatz notwendig und die ganze positive CO2-Bilanz dreht sich ins Minus.