Olaf Scholz' Karriere: In Hamburg ein Heiliger

Der SPD-Oberbürgermeister soll in der GroKo Vizekanzler und Finanzminister werden. Ein lang geplanter Schritt auf dem Weg ins Kanzleramt.

Frank-Walter Steinmeier und Olaf Scholz sitzen nebeneinander. Scholz zeigt nach oben

Es geht immer noch ein bisschen weiter nach oben. Olaf Scholz weiß das Foto: dpa

HAMBURG taz | Olaf Scholz sagt, was er denkt. Und glaubt, was er sagt. Und er macht, was er gesagt hat, und was er nicht sagt, macht er auch nicht. So sieht er das, so sieht er sich selbst. Und so bewegt Olaf Scholz sich im Kreis, der für ihn die perfekte politische Form darstellt. Die Form, in die Menschen in vier Jahren ihr Kreuz machen sollen. Denn Olaf Scholz will Bundeskanzler werden, und er versucht dies auf dem Umweg über den Posten des Vizekanzlers und Bundes­finanzministers.

Darunter hätte er es nicht gemacht. Zurück nach Berlin und ins Bundeskabinett wechselt der ehemalige SPD-Generalsekretär und Bundesarbeitsminister nur als starker Mann der SPD, der nur eine starke Frau zu fürchten hätte, mit der er noch verbündet ist: die Fraktions- und künftige Parteichefin Andrea Nahles.

Eine klare Bestätigung indes scheute der Erste Bürgermeister Hamburgs am Donnerstagnachmittag im Rathaus der Elbmetropole, ein Dementi jedoch gab er auch nicht ab. Es sei richtig, dass die SPD in einer Großen Koalition das Finanzministerium erhalte, sagte er und fügte hinzu: „Dass sich in einer solchen Situation alle Blicke auf mich richten, ist jetzt auch nicht weiter erstaunlich.“ Eine Entscheidung über Personalien werde die SPD aber erst nach dem Entscheid der Mitglieder über den Koalitionsvertrag vornehmen, so Scholz, der etwas übernächtigt wirkte. Mehr wollte er vor laufenden Kameras und Mikrofonen nicht sagen.

In der Hamburger SPD ist der Arbeitsrechtler – der 1990 als Syndikus des Deutschen Genossenschaftsverbands übrigens den Anstoß zum taz-Genossenschaftsmodell gab – unantastbar. Hatte er doch 2009 den heillos zerstrittenen Haufen als Landesvorsitzender übernommen und wieder vereinigt. Zimperlich war Scholz dabei nicht. „Wer bei mir Führung bestellt, muss wissen, dass er sie dann auch bekommt“, hatte er vorher ange­kündigt und verlangt, vom Landesvorstand einstimmig nominiert zu werden.

Damit zwang er den Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs, mächtiger Chef des SPD-Kreises Hamburg-Mitte und Sprecher des bundesweiten „See­heimer Kreises“ des rechten SPD-Flügels, zum Kotau. Kahrs, von Hamburger Parteilinken auch „Fürst der Finsternis“ genannt, hatte seine Zustimmung zu Scholz als Parteichef von Zugeständnissen abhängig machen wollen, stattdessen musste er sich unterwerfen.

„Olaf denkt, Olaf lenkt, und wir rudern“, grinste noch voriges Jahr ein Abgeordneter der Bürgerschaft, ohne unglücklich zu wirken

Mit dem Wahlsieg 2011 führte Scholz die Hanse-SPD mit absoluter Mehrheit dorthin zurück, wo sie nach eigenem Selbstverständnis hingehört: an die Macht im Stadtstaat an der Elbe. Manche GenossInnen nannten ihn danach in einer Mischung aus Ehrfurcht und Ironie „St. Olaf“. Dass die Meinungsbildung in der Landespartei seitdem von oben nach unten stattfindet, stört so recht niemanden. „Olaf denkt, Olaf lenkt, und wir rudern“, grinste noch voriges Jahr ein Abgeordneter der Bürgerschaft, ohne unglücklich zu wirken.

Er vergibt selten, vergisst nie

Generalstabsmäßig hat Scholz in Hamburg seinen Weg an die Macht geplant, ebenso verfolgt er seit drei Jahren seinen Weg nach Berlin. Die wenigen Vertrauten, die er einweihte und deren Rat er sich anhörte, schweigen beredt über die Einzelheiten. Denn wenn man es sich mit Scholz verderben will, reicht eine einzige Illoyalität. Der Mann vergibt selten, und er vergisst nie.

Einige beklagen indes, nie genau zu wissen, was Scholz eigentlich denkt. Er hört seinem Gegenüber aufmerksam zu und schaut ihm unverwandt in die Augen, so lange der redet. Danach sagt Scholz „Danke“, und die Audienz ist beendet. Kein Lob, keine Kritik, kein Feedback: Nicht alle GenossInnen können damit psychisch gut umgehen. Dabei ist das noch die moderate Form seines Führungsstils. Ungemütlich wird es, wenn er antwortet: „Danke. Ich würde mir aber wünschen, dass …“ So drückt Scholz sich aus, wenn er jemandem eine letzte Chance gibt.

Seit der Hamburg-Wahl vor drei Jahren und der Bildung einer rot-grünen Koalition an der Elbe hat Scholz sich auffallend der Bundespolitik zugewandt. Er war Verhandlungsführer der Bundesländer beim Ringen mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) um den neuen Länderfinanzausgleich, das SPD-Steuerkonzept pries er im Bundestagswahlkampf als „das beste“, ohne den Zusatz zu vergessen: „Es ist von mir.“

Seit der Bundestagswahl brachte der 59-Jährige sich nachdrücklich in TV-Talkshows ins Gespräch. Im Oktober verfasste er eine glasklare Analyse des bedauernswerten Zustands der SPD, die sich kaum verhohlen gegen Wahlverlierer Martin Schulz richtete und von diesem gelobt werden musste, um keine Konsequenzen ziehen zu müssen. Alles vorbereitende Schritte für die erneute Karriere im Bund.

Olaf Scholz ist davon überzeugt, dass er es eben besser kann als die vielen Amateure, die sich so im Politgeschäft tummeln, in Hamburg, in Berlin und vor allem in Würselen. Er ist der Politprofi, der in einer anderen Liga spielt als die meisten anderen. Das glaubt er wirklich.

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