Olympia-Sportler täuschen Straftat vor: Typisch Gringo, denkt Brasilien

Banditen sollen US-Schwimmer in Rio ausgeraubt haben – der Überfall wird kurz darauf als Lüge entlarvt. Rio freut's, dass mal andere in der Kritik stehen.

Ryan Lochte steigt in eine Auto umringt von Medienmenschen

Dafür gibt's kein Gold: Schwimmer Ryan Lochte nach seinem Geständnis Foto: dpa

RIO DE JANEIRO taz | Es ist schon richtig frech, was sich die vier US-Schwimmer geleistet haben. Da sowieso ständig von Überfällen und Sicherheitsproblemen bei Olympia die Rede ist, dachten sie wohl, ihre krude Geschichte würde nicht weiter auffallen. Sie gaben deshalb an, Banditen, verkleidet als Polizisten, hätten sie spätnachts in einem Taxi überfallen und ausgeraubt. Schwimmstar Ryan Lochte faselte sogar von einer Pistole an seiner Schläfe. Die Veranstalter entschuldigten sich beim US-Verband, es war ein gefundenes Fressen für die Sensationspresse aller Orten.

In Wirklichkeit waren die Herren nur zu betrunken gewesen, um auf einer Tankstelle die Klotür zu öffnen. Offenbar traten sie die Tür also ein, der vollen Blase wegen. Das Sicherheitspersonal hielt das für übertrieben und forderte die Vandalen auf, den Schaden zu bezahlen. Das taten die Schwimmer auch, schließlich zeigten die Wärter ihre Waffen. Just aus dieser Szene reimten sich die US-Boys ihren Raubüberfall zusammen.

Dumm nur, dass die vier Schwimmer gefilmt wurden, sowohl an der Tankstelle wie bei der Ankunft im Olympiadorf. Sie seien bei ihrer Rückkehr viel zu relaxt gewesen, deswegen wurden die Ermittlungen verstärkt, sagte ein Polizeisprecher.

Da auch die Aussagen der angeblichen Opfer schlecht aufeinander abgestimmt waren, ordnete eine Richterin schnelles Durchgreifen an. Zwei der Missetäter wurden aus einem startbereiten Flugzeug heraus festgenommen. Lochte war als einziger der vier aber bereits zurück in den USA, wo er die Lügengeschichte weiterstrickte. Nachdem ihre Pässe eingezogen worden waren, überlegten es sich die Schwimmer und der Verband dann doch anders – und beichteten die Lügenstory.

Oder sie waren genervt von Brasilien

Inzwischen hat sich das Olympische Komitee der USA bei den Gastgebern entschuldigt. Komitee-Chef Scott Blackmun sprach von „störender Quälerei“, die unnötig gewesen sei. Auch James Feigen, der als Einziger der vier noch in Brasilien ist, entschuldigte sich. Er einigte sich mit den Behörden auf die Zahlung von rund 10.000 Dollar an eine NGO, um das Land verlassen zu dürfen. Und beschuldigte just den sechsfachen Medaillengewinner Lochte, bei der Randale sogar noch mutwillig eine Werbetafel abgerissen zu haben. Den Sicherheitsleuten steckten sie laut James Feigen das nötige Kleingeld zu, damit diese nicht sofort die Polizei informieren würden.

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Noch ist nicht klar, ob die drei anderen wegen Vortäuschung einer Straftat angezeigt werden. „Das einzig Wahre an ihrer Aussage war, dass sie betrunken waren“, resümierte der Polizeichef.

Das könnte sein. Oder sie waren so genervt von Brasilien, von den angeblich unfertigen Unterkünften und anderen Umständen, dass sie dem Land noch eins auswischen wollten. Es wirkt schon arrogant, eine derart ungereimte Geschichte zu erzählen und darauf zu setzen, dass die Gastgeber dies einfach durchwinken werden. In Brasilien ist die Aufregung groß.

Tenor: Typisch Gringos, lassen es sich bei uns gut gehen und treten dann nach. Da schwingt fast ein wenig Genugtuung mit, dass endlich mal die anderen kritisiert werden statt der brasilianischen Organisation der Spiele oder der Pfiffe der Fans. In den Medien wird der Fall der US-Schwimmer fast höher gehängt als die Wettkämpfe selbst. Endlich geht es um das Versagen der anderen, während die eigenen Behörden richtig reagiert haben. Diese olympische Episode macht deutlich, mit wie vielen nationalistischen Tönen diese Spiele aufgeladen sind, wie wichtig es ist, das Eigene und das Fremde zu unterscheiden.

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