Olympia Tag 8 – Die Nacht: Erst disqualifiziert, dann versilbert

Der Siebenkampf wird zum Spektakel, weil Jessica Ennis die erste britische Goldmedaille bei der Leichtathletik einfährt. Richtig spannend wird die Frage nach Silber.

Nach dem abschließenden 800 Meter Lauf der Siebenkämpferinnen war Lilli Schwarzkopf völlig fertig. Das eigentliche Drama sollte aber noch folgen Bild: dpa

Das Wettkampf-Drama der Nacht: Es wird laut in Wembley und einer der längsten Leichtathletik-Wettkämpfe geht zu Ende. Die Siebenkämpferin Jessica Ennis hat vor dem finalen 800-Meter Lauf Gold schon so gut wie sicher. Dementsprechend geht sie mit einem extrem hohen Tempo vorne weg. Die Deutsche Lilli Schwarzkopf hat noch Medaillenchancen und bleibt dran, geht sogar an Ennis vorbei. Doch die Britin überholt sie auf den letzten 200 Metern wieder. Um nichts in der Welt will sie sich diesen Triumphlauf nehmen lassen. Ennis siegt unter ohrenbetäubendem Jubel.

Für Schwarzkopf geht es völlig überraschend noch um Silber, sie liegt nach den vorangegangenen Wettbewerben in aussichtsreicher Position, doch die Anzeigetafel bleibt lange leer. Dann kommt die Nachricht, dass die Deutsche disqualifiziert ist. Das deutsche Team muss jetzt schnell Protest einlegen. Beim Lauf schien alles in Ordnung zu sein.

Doch Schwarzkopf wird von offizieller Seite erklärt, sie habe in der Kurve auf den ersten 400 Metern ihre fünfte Bahn irregulär verlassen. Doch im Interview mit der ARD klärt die Deutsche die Situation auf: Nicht sie wurde disqualifiziert, sondern die Siebenkämpferin rechts neben ihr. Schwarzkopf hat nichts falsch gemacht und hält das Verwirrspiel auf der Anzeigetafel für schwarzen Humor. Sie bleibt in der Wertung, weiß aber immer noch nicht, wozu ihre Zeit nun gereicht hat. Auch 20 Minuten später gibt es noch kein Ergebnis.

Klar ist nur: Jessica Ennis holt Gold. 40 Minuten sind mittlerweile rum – immer noch nichts Neues. Es müsste Silber sein, zumindest auf den Rechenblöcken der ARD-Kollegen. Dann legen die Ukrainer Protest ein, Schwarzkopf soll doch auf die Linie getreten sein. Dagegen wehren sich dann wieder die Deutschen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die Siegerehrung verschoben. Um 23.29 kommt die Medaillenvergabe dann doch noch. Silber für Lilli Schwarzkopf.

Der Athleten der Nacht: Der smarte Rotschopf Greg Rutherford springt von allen am weistesten und holt mit 8,31 Meter das zweite britische Leichathletik-Gold an diesem Tag. Glückwunsch an den Überflieger.

Dann kommt Mo Farah und gewinnt über die 10.000 Meter in einem bombastischen Finale das dritte britische Gold. Wembley rastet völlig aus. Und plötzlich versammelt sich die gesamte Familie Farah auf der Bahn, die Fotografen können ihr Glück kaum fassen und prügeln sich fast um die besten Bilder. Da haben die Sicherheitsleute scheinbar ein Auge zugedrückt. Farahs Trainingspartner Galen Rupp aus den USA sprintet zu Silber und der Kenianer Tariku Bekele holt Bronze.

Der Fehlstart der Nacht: Ja, man kann es nicht mehr hören, aber es muss halt sein: Im letzten Schwimmwettbewerb der Frauen mit deutscher Beteiligung, den 50 Meter Freistil, wird Britta Steffen Vierte. Für das Finale der 4x100-Meter-Lagen-Staffel hatte sich Steffen und ihre Teamkolleginnen nicht qualifizieren können.

Die Männer sind zwar bei 4x100-Meter-Lagen-Staffel dabei, erreichen aber nur einen ordentlichen 6. Platz. In seinem letzten olympischen Wettkampf holt sich Rekord-Olympionike Michael Phelps mit den Kollegen aus den Vereinigten Staaten noch einmal Gold. Die deutschen SchwimmerInnen aber bleiben bei den Olympischen Spielen zum ersten Mal seit 80 Jahren ohne Medaille.

Die Schlussfolgerung: Drama, Drama, Drama, London.

Wer noch?

Leichtathletik, 100-Meter-Lauf (Frauen): Gold: Shelly-Ann Fraser-Pryce (Jamaika) | Silber: Carmelita Jeter (USA) | Bronze: Veronica Campbell-Brown (Jamaika)

Leichtathletik, Siebenkampf (Frauen): Gold: Jessica Ennis (Großbritannien) | Lilli Schwarzkopf (Deutschland) | Tatjana Tschernowa (Russland)

Leichtathletik, Diskuswerfen (Frauen): Gold: Sandra Perkovic (Kroatien) | Silber: Darja Pischtschalnikowa (Russland) | Bronze: Li Yanfeng (China)

Leichtathletik, 10.000-Meter-Lauf (Männer): Gold: Mo Farah (Großbritannien) | Silber: Galen Rupp (USA) | Bronze: Tariku Bekele (Äthiopien)

Leichtathletik, Weitsprung (Männer): Greg Rutherford (Großbritannien) | Mitchell Watt (Australien) | Will Claye (USA)

Leichathletik, 20 Kilometer Gehen (Männer): Gold: Chen Ding (China) | Silber: Erick Barrondo (Guatemala) | Bronze: Wang Zhen (China)

Bahnrad, Mannschaftsverfolgung (Frauen): Gold: Großbritannien (Dani King, Laura Trott und Joanna Rowsell) in 3:14,051 Min. (Weltrekord) | Silber: USA (Sarah Hammer, Dotsie Bausch und Lauren Tamayo) | Bronze: Kanada (Tara Whitten, Gillian Carleton und Jasmin Glaesser). Das britische Team hatte bereits in der Qualifikation mit 3:15,669 Min. einen Weltrekord aufgestellt und diesen später nochmals auf 3:14,682 Min. verbessert.

Tennis, Doppel (Männer): Gold: Mike Bryan und Bob Bryan (USA) | Silber: Michael Llodra und Jo-Wilfried Tsonga (Frankreich) | Bronze: Julien Benneteau und Richard Gasquet (Frankreich)

Gewichtheben, Mittelschwergewicht bis 94 Kilo (Männer): Gold: Ilja Iljin (Kasachstan) mit 233 kg im Stoßen (Weltrekord) und 418 kg im Zweikampf (Weltrekord) | Silber: Alexander Iwanow (Russland) | Bronze: Anatoli Ciricu (Moldawien)

Fechten, Degen (Frauen, Mannschaft): Gold: China (Li Na, Luo Xiaojuan, Sun Yujie und Xu Anqi) | Silber: Südkorea (Choi Injeong, Jung Hyojung, Shin A-Lam und Choi Eunsook) | Bronze: USA (Courtney Hurley, Maya Lawrence, Susie Scanlan und Kelley Hurley).

Das südkoraenische Tränenkind Shin A-Lam, Nachtragende der deutschen Schummelmedaille, gewinnt damit zum Ende der Fechtwettkämpfe doch noch eine Medaille.

Schwimmen, 50 Meter Freistil (Frauen): Gold: Ranomi Kromowidjojo (Niederlande) | Silber: Alexandra Gerassimenja (Weißrussland) | Bronze: Marleen Veldhuis (Niederlande)

Schwimmen, 4x100 Meter Lagenstaffel (Frauen): Gold: USA (Missy Franklin, Rebecca Soni, Dana Vollmer und Allison Schmitt) in 3:52,05 Minuten (Weltrekord) | Silber: Australien (Emily Seebohm, Leisel Jones, Alicia Coutts und Melanie Schlanger) | Bronze: Japan (Aya Terakawa, Satomi Suzuki, Yuka Kato und Haruka Ueda)

Schwimmen, 4x100 Meter Lagenstaffel (Frauen): Gold: USA (Missy Franklin, Rebecca Soni, Dana Vollmer und Allison Schmitt) in 3:52,05 Minuten (Weltrekord) | Silber: Australien (Emily Seebohm, Leisel Jones, Alicia Coutts und Melanie Schlanger) | Bronze: Japan (Aya Terakawa, Satomi Suzuki, Yuka Kato und Haruka Ueda)

Schwimmen, 1.500 Meter Frestil (Männer): Gold: Sun Yang (China) in 14:31,02 Min. (Weltrekord) | Silber: Ryan Cochrane (Kanada) | Bronze: Oussama Mellouli (Tunesien)

Schwimmen, 4x100 Meter Lagenstaffel (Männer): Gold: USA (Matthew Grevers, Brendan Hansen, Michael Phelps und Nathan Adrian) | Silber: Japan (Ryosuke Irie, Kosuke Kitajima, Takeshi Matsuda und Takuro Fujii) | Bronze: Australien (Hayden Stoeckel, Christian Sprenger, Matt Targett und James Magnussen)

Was noch?

Ex-Europameisterin Verena Sailer wird mit 11,25 Sekunden nur Sechste ihres Halbfinalrennens und scheidet aus.

Britta Steffen macht jetzt erst mal Urlaub. Nicht so richtig verdient, wie sie sagt. Aber erst danach entscheidet sie, ob und wie ihre Schwimm-Karriere weitergeht.

Die Europameister Julius Brink und Jonas Reckermann haben im Achtelfinale des Beachvolleyballs die Letten Aleksandrs Samoilovs und Ruslans Sorokins 2:0 (21:12, 21:17) geschlagen. Jonathan Erdmann und Kay Matysik hingegen unterlagen iden brasilianischen Weltmeistern und Alison Cerutti mit 0:2 (16:21, 14:21). Raus sind auch die Titelverteidiger Phil Dalhausser und Todd Rogers aus den USA, die gegen das italienische Duo Paolo Nicolai und Daniele Lupo mit 0:2 (17:21, 19:21) verloren.

Im Achtelfinale des Halbschwergewichts unterlag Enrico Kölling dem Algerer Abdelhafid Benchabla mit 9:12 Punkten. Zum Auftakt waren bereits Weltergewichtler Patrick Wojcicki aus Wolfsburg und Superschwergewichtler Erik Pfeifer gescheitert. Von den vier in London gestarteten deutschen Boxern ist allein der Mittelgewichtler Stefan Härtel übrig.

Auch das noch

Vielleicht geht das im britischen Medaillenregen des Abends unter, aber eine Entscheidung des Abends verlief für Großbritannien bitter: Das Team GB ist im Viertelfinale im Männerfußball gegen Südkorea ausgeschieden. Und zwar – kein Witz – im Elfmeterschießen. Fast schon tragisch: Der Waliser Altstar Ryan Giggs von Manchester United, der im Alter von 38 Jahren sein erstes Länderspielturnier spielt, verlor vor heimischer Kulisse im Millennium Stadium von Cardiff.

Nach dem Führungstor durch Ji Dongwon in der 29. Minute bekamen die Briten einen fragwürdigen und einen klaren Elfmeter zugesprochen. Den ersten verwandelte Aaron Ramsey vom Cardiff City (36. Minute), beim zweiten kurz darauf scheiterte der Kapitän der walisischen Nationalmannschaft am Torwart Sukyoung Yun.

Mit 1:1 ging es schließlich ins Elfmeterschießen. Dort traf Ramsey wieder, auch Giggs verwandelte, dafür verschoss Daniel Sturridge vom FC Chelsea den letzten Elfmeter. Bei Südkorea hingegen trafen alle Schützen, darunter Kapitän Ja-Cheol Koo vom FC Augsburg.

Im Halbfinale trifft Südkorea am Dienstag auf Brasilien. Die Brasiliener schlugen im zweiten Viertelfinale des Abends das Team aus Honduras, das in der Vorrunde Spanien mit 1:0 geschlage hatte, mit 3:2. Am Nachmittag hatten sich schon Mexiko und Japan für das Halbfinale qualifiziert. Nach zwei Fußball-Weltmeisterschaften, die die Europäer unter sich ausgetragen haben, findet das olympische Halbfinale nun ohne eine einzige europäische Mannschaft statt.

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