Ombudsfrau kritisiert Ermittlungen zur NSU: "Die Polizei muss moderner werden"

Die Opferbeauftragte für die Neonazi-Mordserie, Barbara John, hat ein Umdenken bei der Polizei gefordert. Die Behörden hätten zu lange einseitig in die falsche Richtung ermittelt.

Späte Solidarität: Der Vater von einem der Opfer weint auf einer Gedenkveranstaltung. Bild: dpa

BERLIN dpa | Wegen der Ermittlungspannen in der Neonazi-Mordserie hat die Opfer-Beauftragte Barbara John ein Umdenken bei der Polizei gefordert. "Die Polizeiarbeit in Deutschland muss moderner, muss die Polizeiarbeit eines Einwanderungslandes werden", sagte sie. "Viele Polizisten kennen Einwanderer nur als Tatverdächtige. Da können schnell Vorurteile wachsen", sagte die Ombudsfrau.

Die Beamten hätten bei den Morden des Zwickauer Neonazi-Trios zu lange einseitig in Richtung Ausländerkriminalität ermittelt. Die leidenden Angehörigen der Opfer seien so selbst Verdächtige geworden.

Den Neonazi-Terroristen werden Morde an neun Kleinunternehmern türkischer und griechischer Herkunft sowie an einer Polizistin vorgeworfen. Die große Frage ist noch immer, warum die Behörden den Rechtsextremisten nicht auf die Spur kamen. An diesem Donnerstag wird mit einer Gedenkveranstaltung in Berlin der Opfer gedacht.

"Die Erwartungen der rund 70 Angehörigen der Mordopfer an dieses Gedenken sind hoch", sagte die Beauftragte der Bundesregierung. Sie wollten, dass ihr guter Ruf wiederhergestellt werde, der durch die Verdächtigungen geschädigt worden sei. "Diese Menschen sind durch den Verlust ihres Kindes, Vaters oder Partners in einen tiefen Abgrund gefallen. Niemand hat ihnen damals zur Seite gestanden."

Einzig die Polizei sei gekommen und habe mit ihren Verdächtigungen den Schmerz noch verschlimmert, kritisierte die 74-Jährige. Die Beamten seien für ihre Arbeit in multikulturellen Gebieten oft nicht genügend vorbereitet.

Vertrauensvoller Kontakt aufgebaut

Der früheren Berliner Ausländerbeauftragten ist es nach eigenen Worten gelungen, zu den Hinterbliebenen einen vertrauensvollen Kontakt aufzubauen. "Einige haben lange Briefe geschrieben und die Probleme geschildert, die ihnen infolge der Morde entstanden sind. Das reicht querbeet von der Wohnung bis zur Arbeitssuche." In einigen Fällen habe sie helfen können. Weiter offen sei noch die Höhe einer Entschädigung. Es sei ein Spendenkonto eingerichtet worden.

Die Angehörigen würden John zufolge gern mehr über die Ermittlungen erfahren. Und sie wollten, dass die Opfer nicht vergessen würden: "Eine Gedenktafel könnte da ein möglicher Weg sein." Sie hoffe, dass die fremdenfeindlichen Mordtaten mit der Berliner Gedenkveranstaltung nicht "abgehakt" seien: "Das wäre eine weitere Demütigung der Opfer und ihrer Angehörigen."

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