Organ-Affäre – nicht nur in Göttingen: Manipulation und Bevorzugung

Der Skandal um gefälschte Akten weitet sich aus. Zwei Ärzte werden verdächtigt, Daten in 23 Fällen manipuliert zu haben. Es wird bis in die 1990er Jahre zurück ermittelt.

Krankheit allein entscheidet nicht darüber, wer dieses Organ bekommt oder nicht. Bild: dpa

GÖTTINGEN taz | Der Organspendeskandal kam Mitte Juni ins Rollen: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig bestätigte damals, dass sie gegen einen Mitarbeiter der Göttinger Universitätsklinik wegen Bestechlichkeit ermittelt. Einem ausländischen Patienten sollte – möglicherweise gegen Geldzahlung – eine Spenderleber eingepflanzt worden sein, obwohl er auf der Warteliste noch gar nicht an der Reihe gewesen wäre.

Der Verdacht richtet sich gegen den früheren Leiter der Transplantationschirurgie. Der 45 Jahre alte Oberarzt war bereits Ende 2011 stillschweigend entlassen worden, nachdem das Krankenhaus interne Hinweise auf ein Fehlverhalten erhalten hatte.

Inzwischen sind die strafrechtlichen Ermittlungen erheblich ausgeweitet worden. In insgesamt 23 Fällen sollen Krankenakten manipuliert worden sein, um bestimmten Patienten bevorzugt zu einer neuen Leber zu verhelfen.

Außer dem Transplantations-Chirurgen steht nun auch der langjährige Chef der Abteilung Gastroenterologie im Visier der Ermittler. Der 60-jährige Spezialist für Magen-Darm-Krankheiten war mit Voruntersuchungen von Patienten befasst, die in Göttingen auf eine Lebertransplantation warteten. Er wurde im Juli beurlaubt. Neben den für Korruptionssachen zuständigen Braunschweiger Staatsanwälten sind auch deren Göttinger Kollegen in der Sache aktiv geworden. Sie ermitteln wegen des Anfangsverdachts eines Tötungsdeliktes. Es geht dabei um die Frage: Sind Patienten gestorben, weil sie durch gefälschte Daten und Befunde auf der Warteliste für Lebertransplantationen nach hinten rutschten?

Konkret sollen beispielsweise Blutwerte gelöscht oder verändert worden sein. Die durch die Fälschungen begünstigten Patienten kamen auf diese Weise auf einen hohen „Meld-Score“. Dieser besagt, dass der Kranke ohne ein neues Organ bald sterben wird.

Einschlägig aufgefallen

Der frühere Leiter der Transplantationschirurgie war schon zuvor einschlägig aufgefallen. Im Jahr 2005 soll er in Regensburg jordanische Patienten verbotenerweise auf die europäische Warteliste für Transplantationen gesetzt haben, eine in Deutschland gespendete Leber hatte er zudem in Jordanien verpflanzt. Die Geschichte flog zwar schon 2006 durch eine Prüfung der Bundesärztekammer auf, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wurden aber eingestellt. Die Göttinger Universitätsmedizin hat von den Regensburger Vorfällen nach Angaben von Kliniksprecher Weller bei der Einstellung des Oberarztes nichts gewusst.

Inzwischen geht die Staatsanwaltschaft auch Hinweisen auf mögliche Unregelmäßigkeiten in den 1990ern nach. Sie überprüfte Akten an der Medizinischen Hochschule Hannover, wo der Chirurg von 1999 bis 2001 als Assistenzarzt beschäftigt war. Eine eigene Kommission der Göttinger Uni-Klinik soll nun die Kommunikation und Abläufe innerhalb des Krankenhauses kontrollieren.

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