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Organisierte Kriminalität in PeruIm Würgegriff des Verbrechens

Der peruanische Teil des Amazonas-Regenwaldes steht unter massivem Druck: Kriminelle Netzwerke breiten sich auch in den entlegensten Regionen aus.

Illegaler Bergbau in Condorcanqui, einer Provinz im Amazonasgebiet, an der Grenze zwischen Peru und Ecuador Foto: Andina

CUSCO taz | Im Mai rückten schwer bewaffnete Polizisten tief in den Regenwald vor. Ihr Ziel: das Dreiländereck zwischen Brasilien, Kolumbien und Peru. In der indigenen Gemeinde Nueva Galilea beschlagnahmten sie über fünf Tonnen Chemikalien zur Drogenherstellung, dazu Schusswaffen und Funkgeräte. Die Ausrüstung gehörte kriminellen Banden.

Der Amazonas-Regenwald hat enormes Potenzial, um die Klimakrise abzumildern. Doch sein Schutz steht vor einer unaufhaltsamen Bedrohung: dem Vormarsch krimineller Wirtschaftszweige. In Peru bedeutet die Präsenz des organisierten Verbrechens eine ständige Gefahr für die Bevölkerung. Weder die internationale Zusammenarbeit noch die Maßnahmen der peruanischen Regierung reichen aus. In den Grenzgebieten übernehmen kriminelle Organisationen zunehmend die Kontrolle.

Peruanischen Armee und Polizei führen gemeinsame Operationen gegen illegalen Anbau von Koka und geheime Drogenlabore durch Foto: Andina

Mehrere Gruppen kämpfen um die Vorherrschaft: Los Comandos de la Frontera, ein Zusammenschluss ehemaliger FARC-Guerilleros aus Kolumbien, das brasilianische Comando Vermelho, die älteste Mafia des Landes, sowie ecuadorianische Banden wie Los Lobos und Los Choneros, deren Einfluss in Peru stetig wächst.

Green Panter Amazonia

Der Text ist im Rahmen des Klimaworkshops Green Panter Amazonia der taz Panter Stiftung entstanden. Mehr Texte der Teilnehmenden aus 8 Ländern der Amazonas-Region auf taz.de. Weitere ihrer Artikel erscheinen am 12. 9. in einer taz-Beilage, am 17. 9. gibt es einen Talk mit ihnen in der taz Kantine.

Drogenhandel und Goldabbau

Die Pandemie schwächte die staatlichen Kontrollen an den Grenzen. Das nutzten die Banden, um illegale Aktivitäten im Amazonasgebiet weiter auszubauen. Die Flüsse dienen dabei als Schmuggelrouten: für Kokain und illegal gefördertes Gold, das später in die EU, nach Indien oder in die Vereinigten Arabischen Emirate exportiert wird.

„Der peruanische Staat sollte sich auf die Hauptverursacher der Entwaldung konzentrieren“, sagt der Forscher Óscar Espinosa in der Studie Klimawandel und Menschenrechte. „Das sind weder die indigenen Gemeinschaften noch die Kleinbauern, sondern die Agroindustrie und kriminelle Gruppen.“ Diese beherrschen vor allem zwei illegale Wirtschaftszweige: Drogenhandel und Goldabbau. Letzterer hat in Peru stark zugenommen, nicht zuletzt wegen der weltweit hohen Goldpreise.

In den letzten zwanzig Jahren war die Region Madre de Dios, an der Grenze zu Brasilien, das Zentrum des illegalen Bergbaus in Peru. Inzwischen hat sich der Abbau auf andere Gebiete ausgedehnt, etwa auf die Region Amazonas im Norden, angrenzend an Ecuador. Besonders betroffen ist die Provinz Condorcanqui. Dort haben kriminelle Netzwerke das Geschäft übernommen. Zwar fehlen aktuelle Daten, doch Frühwarnsysteme des Umweltministeriums zeigen einen klaren Trend: 2023 wurden 1.661 Hektar mit Abholzungswarnungen registriert, 2024 waren es bereits über 3.500 Hektar.

Das Zentrum des illegalen Bergbaus in Peru liegt in Madre de Dios, doch die Verbrecher ziehen weiter in andere Regionen Foto: Andina

Die Entwaldung nimmt zu

In genau diesen Gebieten breitet sich das organisierte Verbrechen weiter aus. In Condorcanqui ist die Präsenz von Los Lobos und Los Choneros spürbar. Laut lokalen Berichten bedrohen die Mitglieder dieser Banden alle, die sich gegen den illegalen Bergbau oder den Holzhandel stellen. Auch der Drogenhandel hat massive Auswirkungen auf die Amazonasbevölkerung. In Peru ist der Anbau von Kokasträuchern eng mit der Drogenwirtschaft verbunden und trägt ebenfalls zur Entwaldung bei. Zwar zeigen offizielle Berichte einen Rückgang der Gesamtanbaufläche, doch in einigen Regionen steigen die Zahlen weiter.

Viele dieser Gebiete sind reich an Vegetation, Artenvielfalt und Wasser – und zugleich Heimat indigener Völker, deren Territorien in vielen Fällen bis heute nicht rechtlich anerkannt sind. Sie leben oft mitten in Zonen, die von illegalen Wirtschaftsaktivitäten dominiert werden. Ohne Schutz, ohne Sicherheit, ohne Garantien für ihre Wälder. Den Regenwald und seine Bewohner zu schützen, heißt daher auch: nachhaltige Strategien im Kampf gegen das organisierte Verbrechen zu entwickeln.

Aramís Castro ist ein peruanischer Journalist. Er arbeitet für das Investigativmedium OjoPúblico.

Übersetzt aus dem Spanischen von Niklas Franzen

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