Orthodoxe Juden verweigern Waffenrock: Ein Ernstfall für die israelische Armee

Orthodoxe jüdische Männer bekommen erstmals Musterungsbescheide zugestellt. Ihre Integration stellt das Militär vor organisatorische Probleme.

Ein großer Anteil der orthodoxen Juden weigert sich den Militärdienst anzutreten. Bild: dapd

JERUSALEM taz | In einem Punkt mag Meir Porush von der ultraorthodoxen Partei Agudat Israel recht haben. „Die israelische Arme ist nicht bereit, wird nicht bereit sein und will gar nicht bereit sein“, sagte er einst und meinte die Rekrutierung streng religiöser Abiturienten.

Bei 15.000 orthodoxen jungen Männern wird in den nächsten Tagen ein Musterungsbefehl im Briefkasten landen. Für die Militärs bedeutet die Integration der frommen Soldaten vor allem eine organisatorische Herausforderung.

Schon bei Musterung und Rekrutierung werden personelle Veränderungen zwingend, um den Kontakt zum weiblichen Armeepersonal zu vermeiden. Mehr Ärzte, Psychologen und „andere Funktionsträger“ wurden eingestellt, heißt es auf der Internetseite der Armee.

„Die Rekrutierung wird schrittweise stattfinden“, sagt Armeesprecher Arie Shalicar. Mit der ersten Gruppe werde nicht vor Sommer 2013 gerechnet. „Noch wissen wir nicht, welchen Umfang diese Gruppe haben wird.“

Kaserne oder Gefängnis?

Die klare Mehrheit der ultraorthodoxen Bevölkerung lehnt den Militärdienst nach wie vor strikt ab. Ob sich die Wehrpflichtigen rekrutieren lassen oder nicht, liegt letztlich in der Hand der Religionsgelehrten. Wenn der Rabbiner sich für die Verweigerung entscheidet, könnten Tausende junge Männer ins Gefängnis geschickt werden.

Verteidigungsminister Ehud Barak ließ vorerst nur die Musterungsbescheide für die 16- bis 19-Jährigen verschicken. Mit der Rekrutierung der bis zu 26-Jährigen will er bis nach den Wahlen warten. Genaue Zahlen über die Kosten des Unternehmens gibt es offiziell nicht.

Obwohl die Rechtslage seit August für alle jüdischen Israelis die gleiche ist, können sich Frauen vorerst weiterhin dem Militärdienst entziehen, wenn sie erklären, streng gläubig zu sein.

Dreimal täglich beten und Samstag frei

Derzeit gehen zwischen 40 und 45 Prozent der Frauen nicht zur Armee. Bei den Männern waren es bislang rund ein Drittel. Man werde versuchen, den frommen Soldaten ein „Beibehalten ihrer gewohnten Lebensform“ zu ermöglichen, sagt Armeesprecher Shalicar. Dazu gehören der freie Samstag und dreimal am Tag Auszeiten für das Gebet.

Neben eigenen Unterkünften für die Haredim (ultraorthodoxe Juden) und einer strikt koscheren Küche birgt der Einsatzort logistische Probleme, weil der Kontakt zu Frauen möglichst vermieden werden soll. Ideal sind komplett orthodoxe Einheiten, schon damit kein Neid aufkommt unter den Kameraden, wenn die frommen Soldaten an jedem Wochenende nach Hause fahren dürfen.

„Nezach Jehuda“ (Judäa in Ewigkeit) war die erste Infantrie-Einheit nur für orthodoxe Soldaten. Inzwischen gibt es die „Schachar jarok“ (Grüne Dämmerung) beim Abwehrdienst und „Schachar kachol“ (Blaue Dämmerung) bei der Luftwaffe. Bevorzugte Einsatzorte für die frommen Soldaten sind auch die Technik- und die Computerabteilung sowie die Logistik.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.