Orthodoxe Kirche torpediert Gesetz: Keine Homo-Gleichstellung in Serbien

Die Regierung in Belgrad zieht ein fertiges Antidiskriminierungsgesetz zwecks Überarbeitung zurück. Zuvor hatten die serbische Kirche und mehrere Glaubensgemeinden protestiert.

Wer hat die Rücknahme des Antidiskriminierungsgesetzes zu verantworten? Unter Verdacht steht der serbische Präsident Boris Tadic. Bild: dpa

BELGRAD taz Die serbische Regierung hat ein schon fertiges Antidiskriminierungsgesetz kurzerhand auf Eis gelegt. Das hatte zuvor die serbische orthodoxe Kirche gefordert, unterstützt von der katholischen, evangelischen, islamischen und jüdischen Glaubensgemeinde in Serbien.

Anstoß nahmen die geistlichen Oberhäupter an zwei Artikeln in dem Gesetz, die sie streichen möchten. Der eine garantiert die Gleichberechtigung der Homo- und Transsexuellen gegenüber den Heterosexuellen und verbietet eine Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsorientierung. Der andere Artikel garantiert das Recht, den Glauben zu wechseln.

In den an den serbischen Premierminister Mirko Svetkovic adressierten Veränderungsvorschlägen kritisierte die orthodoxe Kirche außerdem dreizehn weitere Artikel in dem Gesetz. Sie berief sich in ihrem Protest gegen die Gleichstellung von sexuellen Minderheiten auf "angesehene Wissenschaftler", die Homo- und Transsexualität als eine Geisteskrankheit bezeichnen.

"Ich habe nichts gegen Homosexuelle, aber ich werde nicht für etwas Krankhaftes stimmen", erklärte auch Dragan Markovic Palma, Chef der Partei "Einheitliches Serbien" - einem Koalitionspartner von Staatspräsident Boris Tadic Demokratischer Partei (DS). Über die DS steuert der Präsident die Regierung, angeblich wurde der Gesetzentwurf auf Tadic Aufforderung hin zurückgezogen.

Obwohl das Büro des Regierungschefs Svetkovic verkündete, das Gesetz würde ohne wesentliche Veränderungen bis Ende April verabschiedet werden, ist fragwürdig, ob es dafür überhaupt eine parlamentarische Mehrheit gibt. Dem Aufruf der Kirche folgend, scheint auch die regierende Sozialistische Partei Serbiens (SPS) unwillig zu sein, "für die Rechte der Schwulen und Lesben" die Hand zu heben.

Die Homophobie, die von der Staats- und Kirchenspitze geschürt wird, animierte gleich eine Gruppe von Hooligans in der Stadt Kragujevac, ein Gebäude mit Steinen zu bewerfen, in dem die "Gay straight Allianz" eine Pressekonferenz abhielt. Zuvor hatte der Direktor des Belgrader Kongresszentrums "Sava" der Allianz verboten, eine Konferenz anlässlich der serbischen Premiere des preisgekrönten Films "Milk" zu veranstalten, in dem es um den Kampf der Homosexuellen für Gleichberechtigung geht.

Armselig sei ein Staat, in dem die Kirche ein acht Jahre lang ausgearbeitetes Gesetz quasi über Nacht blockieren könne, erklärte der bekannte serbische Menschenrechtler Vojin Dimitrijevic. In der vorgelegten Form erfüllt das Gesetz über die Gleichbehandlung alle europäischen Standards, was auch eine der Bedingungen für die schon lange angekündigte Liberalisierung des Visaregimes der Schengen-Staaten gegenüber Serbien ist. Einmal abgesehen von der allgemein verbreiteten Homophobie, empörten sich bürgerliche Parteien und Organisationen prinzipiell darüber, dass die Kirche der "proeuropäischen Regierung" vorschreiben kann, was sie zu tun oder zu lassen hat.

Die serbisch-orthodoxe Kirche mischt sich auch bei anderen politischen Fragen ein. Vor Kurzem rief die Heilige Synode die Parlamentsabgeordneten mit Erfolg dazu auf, gegen die Autonomie der nördlichen serbischen Provinz Vojvodina zu stimmen. Sowohl das Statut der Vojvodina als auch das Gleichbehandlungsgesetz sollen nun erneut überarbeitet werden.

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