Orthopädische Gebetsteppiche: Extrapolster unterm Knie

Ein Muslim verkauft orthopädische Gebetsteppiche, um seine Glaubensbrüder vor Gelenkschmerzen zu bewahren – eine hart umkämpfte Marktlücke.

Lange Nacht der Begegnung in Hannover: Da können einem schon mal die Knie schmerzen. Bild: dpa

BERLIN taz | Vor Gott sind die Gläubigen Untertan. Deshalb dürfen sie ihn nicht von einem höheren Platz aus anbeten. Was aber machen gläubige Muslime, wenn beim Verrichten des Gebets mit einem dünnen Teppich die Knie schmerzen, die Hüfte oder der Rücken?

in Gebetsteppich ist nach islamischem Recht ein reiner Stoff oder Teppich, mit dem ein Muslim den Boden bedeckt und so verhindert, dass sein Gebet durch Bodenberührung ungültig wird. Obwohl es schwierig ist, religiöse Gebrauchsgegenstände zu verändern, haben gleich zwei Gläubige den Segen eines Imams für orthopädische Gebetsteppiche bekommen.

Der Erste war der 50-jährige Adnan Pirisan aus Schwentinental in Schleswig-Holstein, der in Kiel aufgewachsen ist und lange Zeit Elektrogeräte reparierte. Es war 2007 zum Ramadan beim Morgengebet, als ihm die Idee kam. „Ich hatte Knieschmerzen“, erzählt er. „Wir Muslime müssen fünfmal am Tag beten und uns 40-mal am Tag hinknien.“

Billionen winzigster Wesen in und auf uns bestimmen, wer wir sind. Aber wie genau? Die Titelgeschichte "Du bist nicht allein" lesen Sie in der taz.am wochenende vom 7./8. September 2013 . Warum Überwachung die Autoimmunerkrankung der Demokratie ist, erklärt die Philosophin Leena Simon. Und: Heide Oestreich und Stefan Reinecke beschreiben die Merkel-Maschine. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Zwei Jahre später gab es den ersten Prototyp, der mit speziellen Pads an mehreren Stellen gepolstert war, um Knie, Fußoberseite und Stirn zu schützen. Im selben Jahr meldete Pirisan seine Erfindung beim Patentamt an. „In jüngeren Jahren tun wir so, als ob der harte Untergrund unseren Knien nichts anhaben könnte. Wie blenden vollkommen aus, dass wir dadurch unsere Knie kaputtmachen, bis wir irgendwann unsere Gebete nicht mehr kniend verrichten können.“

Eine „deutsche Innovation“

Seine Gebetsteppiche bewirbt er als „deutsche Innovation“, auch wenn er sie in der Türkei fertigen lässt. Pirisan bietet 15 verschiedene Modelle an, Standard- und Luxusvarianten, die zwischen 39,50 und 49,50 Euro kosten. Die Kindergröße kostet 9,50 Euro.

Wie viele Teppiche er bisher verkauft hat, verrät Pirisan genauso wenig wie die Zusammensetzung der Polsterung. „Betriebsgeheimnis.“ Nur so viel: Pro Jahr sind es etwa 3.000 Stück. „Tendenz steigend.“ Die Teppiche gehen nach seinen Angaben in die USA, Türkei, nach England, Frankreich, Italien, Kanada, Australien, Malaysia, Kuwait, Katar, Iran und weitere Länder. Pirisan kann mittlerweile davon leben. Doch er ist nicht mehr der Einzige.

Seit 2010 gibt es einen zweiten Hersteller und Verkäufer orthopädischer Gebetsteppiche, einen türkischen Teppichhändler in Karlsruhe. Dessen Teppiche sind nicht punktuell, sondern durchgehend gepolstert, mit einem patentierten PU-Schaum. „Er hat uns kopiert“, schimpft Pirisan. Den mutmaßlichen Trittbrettfahrer hat Pirisan bereits abgemahnt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.