PLÄDOYER: Eine Einschränkung der Freiheit

Heute entscheidet die Universität Bremen über die Zukunft der Zivilklausel. Eine Gegenrede zu Fischer-Lescano & Böhrnsen - und ein Kompromissvorschlag

Uni Bremen: Die Grenzen zwischen ziviler und militärisch nutzbarer Forschung sind intransparent Bild: JAN ZIER

In der Debatte über die sogenannte Zivilklausel an der Universität Bremen wird versucht, den Eindruck zu erwecken, die Verfechter einer Beibehaltung des Akademischen Senatsbeschlusses würden nicht vor allem für die Festschreibung der politisch-ethischen Position eines absoluten Pazifismus kämpfen, sondern insbesondere für die Freiheit der Wissenschaft. Denjenigen, die den Text der Zivilklausel ändern wollen, wird unterstellt, sie wollten die Freiheit der Wissenschaft aufgeben und sich sozusagen an die Rüstungskonzerne verkaufen.

Wer aber eine Zivilklausel festschreiben möchte, dem geht es selbstverständlich vor allem um eine Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit (wenn auch hoffentlich um eine selbstgewählte). Das im "Plädoyer" von Andreas Fischer-Lescano & Sören Böhrnsen (taz vom 22. Januar 2012) zitierte Gutachten des Verfassungsrechtlers Erhard Denninger konzentrierte sich völlig zu Recht auf die Frage, ob die Zivilklausel am ‚Karlsruher Institut für Technologie‘ (KIT) die Freiheit der Wissenschaft in unzulässiger Weise einschränke. Denninger kommt zum Schluss, dass die Formulierung im § 2.3 (Gegenstand und Zweck der Gesellschaft) des KIT-Vertrags: „Die Körperschaft verfolgt nur friedliche Zwecke“ mit der Freiheit von Forschung und Lehre vereinbar sei. Aber er ist sich völlig darüber im Klaren, dass es hier um eine Frage der Abwägung konkurrierender Ziele geht.

Er zitiert das Bundesverfassungsgericht, „dass eine von gesellschaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen freie Wissenschaft Staat und Gesellschaft im Ergebnis am besten dient“ (BVerfGE 111, 33, 354). Er zitiert den Verwaltungsrechtler Hans-Heinrich Trute mit der Aussage Freiheit bedeute auch „grundsätzliche Gleichgültigkeit der Forschung gegenüber vielfältigen - friedlichen oder nichtfriedlichen - Verwendungszusammenhängen“ (Trute, 1994). Verfechter einer Zivilklausel müssen sich Dellinger zufolge mit dem Vorwurf auseinander setzen, eine „Tendenzuniversität“ anzustreben.

Dabei ist es völlig legitim, dass eine Universität sich Regeln gibt, auch solche, mit denen sie selbst ihre Freiheiten einschränkt, in Abwägung gegenüber konkurrierenden Rechtsgütern und ethischen Prinzipien. Aber sie muss dies selbst tun, und sie muss dies in einer Weise tun, in der sie ihre Unabhängigkeit bewahren kann. Letzteres ist mit den Formulierungen im Beschluss Nrummer 5.113 von 1986 leider nicht möglich. Dort heißt es unter anderem die Mitglieder der Universität sollen Forschungsthemen und –mittel ablehnen, „die Rüstungszwecken dienen können“. Hiermit wird also weder auf militärische Zielsetzungen abgehoben noch auf militärische Auftraggeber, sondern auf die schlichte Möglichkeit, dass etwas militärisch genutzt werden kann. Dies dürfte für so ziemlich jede Forschung und Entwicklung an der Universität Bremen zutreffen.

Gegen den Vorwurf der militärischen Nutzbarkeit können auch die im Plädoyer dargestellten rechtlichen Möglichkeiten zur Abgrenzung militärischer Nutzung - etwa zum ‚Dual Use - von ‚Gütern‘ zum Beispiel in der Exportregulierung nicht in Stellung gebracht werden. Mit dem Fokus auf der bloßen Möglichkeit einer militärischen Nutzung, ohne Instanz, die eventuelle Anklagen überprüft, ohne klare Kriterien, mit denen solche Überprüfungen durchgeführt werden können, ist der Willkür Tür und Tor geöffnet. Mit dem zur Zivilklausel hochstilisierten Beschluss 5.113 machte sich die Universität - und wie im Fall OHB zu sehen auch alle ihre Kooperationspartner - extrem verletzlich gegenüber politischer Skandalisierung. Durch diese Formulierungen ist die Unabhängigkeit und Freiheit von Forschung und Lehre tatsächlich in Gefahr.

Der genau hier ansetzende politische Druck auf die Universität ist in vollem Gange. Wie man an den zahlreichen großen und kleinen Anfragen der Partei ‚Die Linke‘ in der Bremischen Bürgerschaft, im Bundestag sowie an der angekündigten Initiative, die Zivilklausel im Bremischen Hochschulgesetz zu verankern, sieht, wird er in absehbarer Zeit auch nicht nachlassen.

Dabei stünde durchaus auch eine Debatte über den „Umgang mit der pazifistischen Tradition“ der Universität Bremen an. Der Beschluss von 1986 ist geprägt vom NATO-Doppelbeschluss, vom drohenden Einsatz von Massenvernichtungswaffen und vom Kalten Krieg. Die Vorstellung, dass die Bundeswehr sich einmal im Rahmen von UN-Friedensmissionen zum Schutz vor Gewalt und Menschenrechtsverletzungen bis hin zur Verhinderung von Völkermord engagieren könnte, war damals in weiter Ferne. Insofern steht tatsächlich auch eine Debatte an über die Frage an, ob eine Position, die sich buchstäblich ‚die Hände in Unschuld wäscht‘, wenn es darum geht, dass Menschenrechte und körperliche Unversehrtheit immer wieder auch durch Waffengewalt verteidigt werden müssen, ethisch durchhaltbar ist.

Es ist – solange das nicht breit diskutiert wird - tatsächlich schwer einzuschätzen, ob eine absolut pazifistische Position, die auf der einen Seite das Wirken von Polizei und Bundeswehr dankbar annimmt, aber auf der anderen Seite mit deren Ausrüstung oder Aufklärungsmöglichkeiten schlicht nichts tun haben möchte, an der Universität Bremen wirklich mehrheitsfähig ist.

Wie weiter? Ein Ausweg im Konsens sollte möglich sein. Weder die Verfechter der Freiheit der Wissenschaft noch die Befürworter einer friedlichen Ausrichtung von Forschung und Lehre an der Universität Bremen können mit der jetzigen Situation zufrieden sein. Der Begriff ‚Zivilklausel‘ suggeriert, es handele sich um eine ‚Klausel‘ in einem Vertragswerk. Das ist aber definitiv nicht der Fall. Wir haben es schlicht mit einem mit 17:11 Stimmen mehrheitlich verabschiedeten Antrag im Akademischen Senat zu tun. Wenn also wirklich eine Zivilklausel gewünscht ist, die diesen Namen auch verdient, sollten alle Beteiligten an der Universität nach einem Weg suchen, auf dem das friedliche Anliegen entweder in die Leitziele oder die Grundordnung der Universität aufgenommen werden kann.

Eine Formulierung in den Leitzielen in Anlehnung an die vielgelobte ‚Zivilklausel‘ des KIT: „Die Universität verfolgt nur friedliche und humanitäre Zwecke“ sollte eigentlich konsensfähig sein. Wer mehr will - Kriterien, Institutionen, Prozeduren- kann sich zudem die Grundordnung der Universität vornehmen.

Arnim von Gleich

62, Biologe und Sozialwissenschaftler, ist Dekan des Fachbereichs Produktionstechnik & Maschinenbau der Uni Bremen. Er bewarb sich um das Amt des Rektors, bekam aber keine Mehrheit

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