Pakistanische Talkshow: Pause für Drag Queen

Die Toleranz scheint vorbei - die "Late Night Show" von Begum Nawazish Ali pausiert. Die Moderatorin hat das selbst entschieden - auf Druck der Regierung.

"Sie haben so große Hände. Was tun Sie sonst noch mit denen?" Bild: ap

DELHI taz Ihre wöchentliche Talkshow ist eine der beliebtesten Sendungen in Pakistan. Kein Wunder, denn was Begum Nawazish Ali - "Begum" ist in Südasien die Anrede für eine vornehme Muslimin - dem Publikum des islamischen Staats Pakistan im Sender Aaj TV serviert, hat sich gewaschen.

Die junge, lebenslustige Witwe empfängt ihre Gesprächspartner in einem rotgoldenen Plüschsalon. Sie ist in aufreizend farbige Saris mit knapper Bluse gekleidet, an der Schmuck herunterperlt.

Und zwischen ihren hochpolitischen Fragen stellt sie gerne auch andere, in flirtenden Tönen und mit Suggestivblick: "Mein Gott, Zaheer", fragte sie kürzlich einen bekannten Kricketspieler, unschuldsvoll wie das Rotkäppchen, "Sie haben so große Hände. Was tun Sie sonst noch mit denen?" In einem Land, in dem jede sexuelle Anspielung aus dem öffentlichen Leben verbannt ist, ist die "Late Night Show with Begum Nawazish Ali" ein Hit für Männer, aber auch für Frauen, die ihre Hoffnung auf Redefreiheit und geschlechtliche Ebenbürtigkeit auf die "Persona" der Begum projizieren können. Sie ist inzwischen so populär, dass sich nicht nur Kricketspieler und Filmstars aus Bollywood und Lollywood (dem pakistanischen Pendant in Lahore) gern einladen lassen; auch pakistanische Politiker gehören regelmäßig zu ihren Gästen.

Doch die "Persona" ist nur dies: eine Maske. Begum Nawazish Ali ist ein Mann. Ali Saleem ist eine Drag Qeen, die sich gern in Frauenkostüme kleidet, sich aber außerhalb des TV-Studios pflichtschuldig als heterosexuell outet, wenn auch mit Neigungen über den Gartenzaun hinaus. Und was für Uneingeweihte wie ein Beweis für die erstaunliche Medienfreiheit und für liberale Nischen in dieser zunehmend strengen islamischen Gesellschaft erscheint, ist in Wahrheit Ausdruck des Gegenteils: Keine Pakistanerin dürfte sich erlauben, so aufzutreten.

Verkleidung und mit ihr das Spiel mit Geschlechterrollen haben im Subkontinent eine lange Tradition. Noch heute werden im Volkstheater Frauenrollen von Männern gespielt, weil die leicht anrüchige Welt des Theaters für Frauen eine Tabuzone ist. Doch wie zu Zeiten Shakespeares hat dies dem Theater oft auch eine Freiheit gegeben, dem Zuschauer mit Doppeldeutigkeiten einen zusätzlichen Genuss zu verschaffen.

Doch nun hat Ali Saleem in einem Radiointerview den vorläufigen Abbruch seiner Sendung angekündigt. Der wichtigste Grund sei aber nicht etwa, dass er heiraten wolle; es gehe vielmehr um die politische Entwicklung des Landes. Es gebe immer mehr Druck seitens der hausinternen Zensoren, sagte Saleem, und das politische Klima habe sich so verschärft, dass er es vorziehe, Pause zu machen.

Dieser Schritt hat zweifellos mit der Drohung der Regierung zu tun, die elektronischen Medien wieder unter drakonische Zensur zu stellen. Die bisherige Toleranzpolitik hat das Regime von Präsident Pervez Musharraf nach den Protesten der letzten Monate gegen den Staatschef, die von den Medien hautnah verfolgt wurden, klar revidiert. Die bereits erweiterten Befugnisse der staatlichen Aufsichtsbehörde sind wegen Protesten zwar gar nicht in Kraft gesetzt worden, doch genügte der Gesetzentwurf, um Wirkung zu zeitigen.

Auch Begum Nawazish hatte mit ihrer politischen Meinung über den neuen Kurs nicht hinter dem Berg gehalten - natürlich ganz auf ihre Weise: "Er ist so ein fescher Mann", flötete sie über Pervez Musharraf. "Wenn er doch nur seine Uniform ausziehen würde."

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