Palästinenser-Proteste im Gazastreifen: Brennende Reifen an der Grenze

Palästinenser demonstrieren an der Grenze gegen die Gründung Israels vor 70 Jahren. Mindestens einer wird getötet, viele werden verletzt.

Ein vermummter Mann trägt zwei Autoreifen. Im Hintergrund brennt ein Feuer.

Mit dem Qualm brennender Autoreifen verdunkeln Palästinenser das Grenzgebiet des Gazastreifens. Foto: dpa

JERUSALEM taz | Brennende Autoreifen und Steinschleudern auf der einen Seite, Tränengas und Scharfschützen auf der anderen. Der ungleiche Kampf von palästinensischen Demonstranten und israelischen Sicherheitskräften im Grenzgebiet zum Gazastreifen ging am Freitag in die zweite Runde. Einen Toten und einige Dutzend Verletzte meldete das palästinensische Gesundheitsamt bis zum Nachmittag. Die Zahl der Demonstranten blieb insgesamt mit rund 15.000 weit hinter den Erwartungen zurück.

Viele Menschen suchten in den Rauchwolken der brennenden Reifen Schutz vor den tödlichen Gewehrkugeln ihres Gegners. Die gut doppelt so großen Kundgebungen eine Woche zuvor hatten 22 Menschenleben gefordert. Auf israelischer Seite stellten Feuerwehrleute riesige Ventilatoren gegen den Qualm auf. Menschenrechtsaktivisten appellierten an die Scharfschützen, den Befehl zu verweigern.

Der auf sechs Wochen angelegte Protest, mit dem die Menschen im Gazastreifen auf ihre wachsende Not aufmerksam machen wollen, war von der radikal-islamischen Führung der Hamas ausdrücklich als friedliche Aktion angelegt.

Dass es dennoch zu so zahlreichen Toten und mehreren hundert Verletzten kam, liegt an der Hamas, die ihre Landsleute nicht daran hinderte, dem Grenzzaun zu nahe zu komme, und an der Gnadenlosigkeit, mit der die israelischen Scharfschützen jeden Palästinenser aufhalten, der sich zu dicht an die Grenzanlagen heran wagt.

„Entschuldigung, aber ich werde nicht schießen“

„Entschuldigung, aber ich werde nicht schießen“, so heißt es auf Plakaten und Zeitungsinseraten der israelischen Nichtregierungsorganisation (NGO) Betselem, die an die Soldaten appelliert, den „widerrrechtlichen Befehl“ zu verweigern, „mit scharfer Munition auf unbewaffnete Demonstranten zu schießen“.

Die Hauptverantwortung für die fatale Bilanz läge allerdings „beim Regierungschef, dem Verteidigungsminister und dem Generalstabschef“, räumten die Menschenrechtsaktivisten ein und riefen Politiker und Armeeführung auf, „zur Vernunft zu kommen“ und von dem Schussbefehl abzulassen.

Davon jedoch will Verteidigungsminister Avigdor Lieberman nichts hören. Ungeachtet der Kritik im In- und Ausland hält Israel an dem Einsatz der Scharfschützen zusätzlich zu den mit Tränengas bestückten Drohnen, den Wasserwerfern und Gummigeschossen fest. Anwohner im südlichen Gazastreifen berichteten, dass die Luftwaffe Zettel mit Warnungen auf Arabisch abgeworfen hätte. „Wer sich dem Zaun nähert, riskiert erschossen zu werden“, wiederholte Lieberman am Donnerstag.

„Israels vorsätzliches Töten unbewaffneter palästinensischer Demonstranten in Gaza darf nicht ungeprüft oder unbestraft bleiben“, forderte die Fatah-Funktionärin Hannan Aschrawi.

Interne statt unabhängige Untersuchung

Sogar die Regierung in Berlin signalisierte Israel gegenüber Klärungsbedarf angesichts der hohen Zahl der getöteten und verletzten Palästinenser.

Eine unabhängige Untersuchungskommission, wie sie zuvor UN-Generalsekretär Antonio Guterres verlangte, lehnt die israelische Regierung ab. „Die UN täte besser daran, den Tod einer halben Million Menschen in Syrien zu untersuchen“, kommentierte Lieberman. Allerdings will die Armee eine „interne Untersuchung“ vornehmen, wie ein Sprecher mitteilte.

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