Palawan, ein Tauch- und Badeparadies: Auf Tour mit Exsträflingen

Ehemalige Sträflinge machen nächtliche Bootstouren mit Touristen durch den Mangrovenwald. Sie verdienen damit ihren Lebensunterhalt.

Ein Fähre mit Touristen vor der Küste Palawans

Ein Bootstour an der Traumküste von Palawan Foto: imago/Xinhua

Der Kahn gleitet gemächlich und lautlos über den Fluss, der dichte Mangrovenwald links und rechts ist im fahlen Mondschein nur in Umrissen zu erkennen. In der Dunkelheit funkeln hoch oben im Gesträuch zahllose kleine Lichter wie auf einem Christbaum. „Das sind unsere Freunde, die Glühwürmchen. Sie leuchten beim Einatmen, beim Ausatmen erlischt das Licht wieder“, sagt Bootsmann Antonio.

Fast eine Stunde lang schippert er den sieben Kilometer langen Iwahig-Fluss auf und ab, während sich in den Baumwipfeln Scharen von Glühwürmchen zusammenrotten und um die Wette aufblinken. Während der Tour erfahren wir alles über diese kuriosen Leuchtkäfer, was man trotz der Lektüre des Kinderbuchs von Eric Carle („Das kleine Glühwürmchen“) nicht weiß.

Etwa, dass ein Glühwürmchen nur so groß ist wie ein Reiskorn, dass sich seine Verweildauer auf Erden auf nur zwei Monate beschränkt und dass der November der beste Monat ist, um die Spezies zu beobachten. „Sie blinken ab Einbruch der Dunkelheit bis um sechs Uhr morgens“, sagt Antonio, der als Kind mit seinem Vater im Morgengrauen zum Fischen durch den Iwahig fuhr. Damals ahnte Antonio wohl noch nicht, dass er sich eines Tages mit der sogenannten Iwahig Firefly Tour seinen Lebensunterhalt verdienen würde.

Sie gehört heute zu einer der wohl kuriosesten Attraktionen von Palawan, der fünftgrößten Insel der Philippinen, ein Tauch- und Badeparadies, das nicht zuletzt wegen seiner Korallenriffe vom US-Reisemagazin Conde Nast Traveller im letzten und im vorletzten Jahr zur schönsten Insel der Welt gekürt wurde.

Anreise: Zuerst nach Manila, z. B. ab Frankfurt mit Cathay Pacific, Lufthansa oder Qatar Airways mit Zwischenstopp in Hongkong bzw. Doha, je nach Reisezeit ab 380 Euro. Weiterflug nach Palawan vom Domestic Airport in Manila mit Cebu Pacific www.cebupacificair.com, Preis zwischen 50 und 100 Dollar

Unterkunft in Palawan: Princesa Garden Island Resort, Doppelzimmer ab 131 Euro: www.princesagardenisland.com Ecolodges und Bungalows auf den vier kleinen Inseln Miniloc, Lagen, Apulit und Pangulasian: El Nido Resorts, buchbar unter www.elnidoresorts.com

Fahrräder: Auch in Manila gibt es nachhaltige Tourismus- und Fair-Trade-Projekte: Eines davon heißt Bambike, das sind Fahrräder aus Bambus, die in einem Dorf nördlich von Manila gefertigt werden und so den Menschen ein sicheres Auskommen bieten. Diese Fahrräder sieht man oft in der Altstadt von Manila. Der Preis schwankt je nach Ausstattung zwischen 15.000 und 60.000 Pesos (288 Euro bis 1.150 Euro). Mieten kann man diese Fahrräder in der Altstadt von Manila unweit der Casa Manila für 300 Pesos (5,50 Euro) die Stunde. Weitere Infos unter bambike.com/ecotours

In der Ferne hören wir Mummy Love, die Köchin des Firefly Restaurants, am Ufer zu Gitarrenklängen ein herzzerreißendes „Killing me Softly“ trällern. Mummy Loves Stimme kommt nicht von ungefähr. „Ich war früher Radiosprecherin beim Sender NBC in Manila, aus dieser Zeit habe ich auch meinen Künstlernamen“, erklärt sie, ohne ihren wirklichen Namen verraten zu wollen.

Irgendwann kam sie nach Palawan und beschloss, der übervölkerten Hauptstadt mit ihren zwanzig Millionen Einwohnern den Rücken zu kehren. Jetzt führt sie ein beschauliches Leben und bereitet jeden Abend ein Buffet im Firefly Restaurant vor. Zu ihren Spezialitäten zählen ein scharfer Rettichsalat und frittierte Spinathappen. Zu fortgeschrittener Stunde, wenn die Gäste satt sind, steigt sie auf ein paar Paletten, die als Bühne dienen, und greift nach dem Mikrofon. Die Plastikstühle sind dann schnell besetzt, das Publikum klatscht und johlt, die Filipinos haben die Leidenschaft ihrer Vorfahren – spanischer Eroberer im Blut und lieben Musik.

Das Gefängnis öffnet seine Pforten sogar für Besucher und ist mittlerweile zur Touristenattraktion geworden

Iwahig ist jedoch nicht nur der Name eines Flusses, sondern auch eines Gefängnisses namens Iwahig Penal Farm, in das Sträflinge aus ganz Philippinen eingewiesen werden. Es ist ein Gefängnis der besonderen Art: Die Mehrzahl der Gefangenen lebt mit ihrer Familie zusammen, die Männer verdienen sich auf den Reisfeldern ihr Geld. Das Gefängnis öffnet seine Pforten sogar für Besucher und ist mittlerweile zur Touristenattraktion geworden.

Die siebzehn Ruderer und rund hundert Mitarbeiter des Glühwürmchenprojekts sind allesamt ehemalige Häftlinge oder Kinder von einstigen Insassen. Auch Antonios Vater saß einst hier ein, doch an sein Vergehen kann sich Mummy Love, die für die vielen jungen Menschen, die mit ihr arbeiten, eine Art Mutterersatz ist, nicht erinnern. „Das Wichtigste ist, dass die Jungs hier wieder eingegliedert werden in die Gesellschaft, dass sie ein Auskommen haben“, sagt Mummy Love: „An Iwahig könnten sich alle Strafanstalten auf der Welt mal ein Beispiel nehmen.“

Mit den Einnahmen aus dem Tourismus – die Glühwürmchen-Tour ist fast immer ausgebucht – finanziert sich die Community selbst. „Kaum zu glauben, was wir diesen kleinen Tierchen so alles zu verdanken haben“, so Mummy Love augenzwinkernd.

Vom Aussterben bedroht

Die nächtlichen Touren sind nur eines von diversen nachhaltigen Projekten auf Palawan. Nicht weit von der Hauptstadt Puerto Princesa liegt das Batak Visitor Center. Die zierlichen, dunkelhäutigen Batak sind der älteste der drei Volksstämme auf Palawan. Sie kamen vor 50.000 Jahren auf die Insel, aber der Straßenbau zwang sie zur Umsiedlung von den Ebenen ins Bergland, Holzfäller drangen in den achtziger Jahren in ihr Territorium ein. Die Batak sind vom Aussterben bedroht. Nur noch 351 Batak gibt es in Palawan. Sie leben hoch in den Bergen im Norden der Insel, ihr Dorf ist nur über einen dreistündigen Fußmarsch zu erreichen. Daher wurde das Besuchszentrum ganz in der Nähe von Puerto Princesa eingerichtet.

Hier kann man einige von ihnen treffen, etwa den etwas traurig dreinblickenden Stammesältesten, der den Besuchern seinen „Kriegstanz“ vorführt. Jeder zahlt in eine Spendenbox, was er gerade übrighat. „Wir hoffen, dass wir mit dieser Initiative den Menschen eine Lebensgrundlage geben können, sodass der Stamm überlebt“, sagt Donna Gunn, die hier Touristen herumführt.

Die ausländischen Gäste kommen freilich wegen der unberührten Inseln im Norden von Palawan. Auch der berühmte Untergrundfluss von Puerto Princesa ist ein Anziehungspunkt. Der längste unterirdische Fluss der Welt ist schiffbar und zählt ebenso wie etwa der Amazonas, der Tafelberg in Südafrika, die Wasserfälle des Iguazu oder die Halong-Bucht in Vietnam zu den sieben Naturwundern der Welt. Acht Kilometer windet sich der Strom entlang gespenstisch anmutender Felsformationen, Höhlen und Grotten. Allerdings wird die Tour nur bei ruhigem Seegang angeboten, besonders während der Monsunzeit besteht immer Gefahr, dass die Boote nicht auslaufen. Dann heißt es ausharren in Puerto Princesa, der in hügeliger Dschungellandschaft eingebetteten Hauptstadt.

Die exklusiven Resorts im Norden sind für viele Einheimische unerschwinglich

Sie hat, mit Ausnahme von einer hübschen Kirche – die Philippinen sind das einzige Land Südostasiens, in dem das Christentum Staatsreligion ist – und einem quirligen Markt, allerdings wenig zu bieten, es sei denn, man interessiert sich für die tragische Geschichte der Philippinen. Denn ausgerechnet in diesem Städtchen wurde eine der größten Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs begangen. Im Dezember 1944 fand das „Palawan-Massaker“ statt, bei dem japanische Truppen, die die Insel besetzt hielten, 150 US-Soldaten gefangen nahmen, töteten und verbrannten. Nur elf Amerikaner konnten sich dank der Hilfe philippinischer Guerillakämpfer retten. Gedenktafeln erinnern an die tragischen Geschehnisse.

„Ich finde, das sollte man den Touristen, die hierherkommen, zeigen“, sagt Trycicle-Fahrer Roseller Lamonte. „Ich kutschiere auch regelmäßig Nachfahren der amerikanischen Opfer hierher zur Plaza Cuartel, wo das Verbrechen stattfand.“ Heute bieten hohe Bäume Schatten, der Platz ist ein Treffpunkt für Jugendliche und Verliebte, der Blick auf den Ozean und die vielen kleinen Inseln ist atemberaubend. Nicht umsonst wird Palawan als das letzte ökologische Grenzland der Philippinen bezeichnet.

Nicht nur Mummy Love ist dem Charme der Insel erlegen, immer mehr Touristen kommen hierher. Das hat Folgen für die Preisentwicklung, alles ist teurer geworden, die exklusiven Resorts im Norden der Insel sind für viele Einheimische ohnehin unerschwinglich. Doch Roseller ist einer, der vom Tourismus profitiert. „Wenn ich mit meinem Trycicle genügend Geld verdient habe“, sagt Roseller, dann will auch ich Palawan erkunden, jeden Winkel davon.

Da hat er viel zu tun, er sollte vielleicht besser gleich anfangen. Das Archipel besteht nämlich aus mehr als 1.700 Inseln, Inselchen und Atollen.

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