Pannen im Bundestag: „Haushalt leider beschlossen“

Die schönsten Unfälle im Bundestag: Über Abwesenheiten, blaue Karten und wundersam vermehrte Parlamentarier. Der aktuelle Fall um das Meldegesetz hat Vorgänger.

Ob rot oder blau – die richtige Farbe sollte das Kärtchen schon haben. Bild: dpa

BERLIN taz | 15. Juni 2012, die erste Lesung des umstrittenen Betreuungsgesetzes scheitert, weil zu viele Abgeordnete fehlen. Es ist Freitag. „Der Bundestag ist beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder im Sitzungssaal anwesend ist“, steht in der Geschäftsordnung des Bundestags. Bleiben viele Stühle leer, kann die Beschlussfähigkeit angezweifelt werden. Macht aber selten jemand.

19. März 2010, der SPD-Abgeordnete Marco Bülow twittert „Haushalt leider beschlossen: Riesige Neuverschuldung …“ Er hat aber selbst zugestimmt – mit der blauen „Ja“-Karte. Rot ist „Nein“, weiß Enthaltung. Bülow hat noch versucht, sein „Ja“ abzuändern – ohne Erfolg. Jede Stimme zählt wie abgegeben.

10. Mai 2006, der CDU-Bundestagsabgeordnete Reinhard Göhner stimmt mit „Ja“ für eine Steuererhöhung – obwohl er nicht da ist. Sein Fraktionskollege Jochen-Konrad Fromme ist anwesend – seine Stimmkarte fehlt in der Urne. Die Regale mit den Karten sind nach Nachnamen alphabetisch geordnet – Abgeordnete greifen mal daneben.

17. Oktober 2003, der Bundestag stimmt namentlich über den Umbau der Bundesanstalt für Arbeit und über die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ab. Die Abstimmung muss wiederholt werden – auf „wundersame“ Weise, so Bundestagsvizepräsident Norbert Lammert, haben sich die Mitglieder des Parlamentes vermehrt. Die Karten aus den zwei Urnen der getrennten Abstimmungen wurden zusammengeschüttet. Auszählungen übernehmen die Schriftführer per Hand, eine elektronische Kontrolle folgt.

4. November 1999, der Bundestag stimmt über die Gesundheitsreform 2000 ab, genauer über eine Gesetzesfassung, bei der 23 Seiten fehlen. Die Opposition fordert, das Verfahren neu aufzurollen, da es unabdingbar sei „dass die Abgeordneten absolute Klarheit darüber haben, über was im einzelnen abgestimmt wird“.

27. April 1972, mehr ist nie wieder schiefgegangen. Die sozialliberale Koalition unter Willy Brandt hat ihre parlamentarische Mehrheit verloren: wegen Brandts Ostpolitik wechseln mehrere SPD- und FDP-Abgeordnete zur CDU. Oppositionsführer Rainer Barzel strengt ein konstruktives Misstrauensvotum an. Er ist sich sicher, die nötige „Kanzlermehrheit“ von 249 Stimmen zu erreichen. Doch Barzel bekommt nur 247 Stimmen. Erst Jahre später wird bekannt, dass die Stasi offenbar zwei CDU-Abgeordnete bestochen hatte, für Brandt zu stimmen.

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