Papst Franziskus traf Patriarch Kyrill: „Wir sind Brüder, endlich“

Zum ersten Mal redet ein Papst mit einem Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche. Auf Havannas Flughafen unterzeichneten beide eine gemeinsame Erklärung.

Papst Franziskus und Patriarch Kyrill, sitzend und einander zugewandt.

In fast trauter Eintracht, aber mit unterschiedlichen Kopfbedeckungskonzepten: der Papst (r.) und der Patriarch. Foto: ap

HAVANNA/ROM epd | Historische Umarmung auf Kuba: Papst Franzisus ist am Freitag mit dem Moskauer Patriarchen Kyrill zusammengetroffen. Es war die erste Begegnung von Oberhäuptern der römisch-katholischen und der russisch-orthodoxen Kirche. Der Ökumenische Rat der Kirchen würdigte das Treffen als Hoffnungszeichen in kriegerischen Zeiten. Das Moskauer Patriarchat sprach von einem „freudigen Ereignis für alle Christen“.

Zu Beginn der Begegnung in der Präsidentenlounge des Flughafens von Havanna umarmten sich die beiden Kirchenoberhäupter mit sichtlicher Freude und tauschten einen Bruderkuss. „Wir sind Brüder, endlich“, sagte der Papst nach seiner Ankunft aus Rom. „Nun werden die Dinge einfacher“, entgegnete Kyrill, der schon am Donnerstag auf Kuba angekommen war.

Nach jahrhundertelangem Streit um theologische, politische und kulturelle Fragen hatte sich das Christentum im 11. Jahrhundert in einen östlichen und einen westlichen Zweig gespalten. Die orthodoxe und die römisch-katholische Kirche entwickelten sich weitgehend unabhängig voneinander.

Im Anschluss an ihr rund zweieinhalbstündiges Gespräch unterzeichneten der Papst und der Patriarch eine gemeinsame Erklärung. Darin äußern sie ihre Sorge über die Lage der Christen im Nahen Osten. Angesichts der Gewalt vor allem in Syrien und im Irak fordern sie die internationale Gemeinschaft auf, „dringend zu handeln, um einer weiteren Vertreibung der Christen im Nahen Osten zuvorzukommen“. In zahlreichen Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas würden Familien, Dörfer und ganze Volksgruppen ausgelöscht.

Die auf Russisch und Italienisch abgefasste Erklärung betont überdies, dass Katholiken und Orthodoxe nicht Konkurrenten, sondern Geschwister seien. Gemeinsam fordern der Papst und der Patriarch die Achtung der Religionsfreiheit und warnen vor dem Verlust christlicher Wurzeln Europas. Überdies betonten die beiden Kirchenoberhäupter die Bedeutung der Familie und die gemeinsamen Sorgen angesichts von Säkularisierung und mangelndem Schutz des Lebens.

Papst dankt auch Kubas Staatschef Raúl Castro

Patriarch Kyrill würdigte nach der Unterzeichnung der Erklärung das offene Gespräch mit dem Papst. Es habe Gelegenheit geboten, die Position des jeweils anderen besser zu verstehen. Beide Kirchen könnten auf dieser Grundlage künftig besser zusammenarbeiten. Franziskus betonte, beide hätten als Brüder miteinander gesprochen. Bevor er weiter nach Mexiko flog, dankte der Papst darüber hinaus dem kubanischen Präsidenten Raúl Castro für seinen Beitrag zum Zustandekommen der Begegnung. Kyrill wollte nach seinem Aufenthalt auf Kuba noch Paraguay und Brasilien besuchen.

Der Ökumenische Rat der Kirchen erklärte in Genf, die Begegnung von Franziskus und Kyrill markiere einen großen Schritt, um das Schisma der Kirchen zu heilen. Das Christentum könne nun auf mehr Einigkeit hoffen. Das Treffen inspiriere die Kirchen, die Gesellschaften, die Regierungen und die Weltgemeinschaft, die vielen Kriege politisch zu lösen und Frieden für alle Menschen zu schaffen.

Der Weltkirchenrat unterstrich, dass die russisch-orthodoxen Kirche die größte unter seinen rund 350 Mitgliedskirchen ist. Die katholische Kirche ist kein Mitglied des Dachverbandes mit Sitz in Genf, kooperiert aber mit dem Rat.

Auch in Russland wurde das historische Treffen als hoffnungsvolles Zeichen der Annäherung gesehen. Erzpriester Stefan von der Abteilung für Außenkontakte des Patriarchats sprach im staatlichen russischen Nachrichtenkanal „Rossija 24“ von einem „historischen und freudigen Ereignis für alle Christen auf der Erde“.

Russlands Katholiken äußerten sich indes zurückhaltender. Der Moskauer Erzbischof Paolo Pezzi erklärte, von „romantischen Bemühungen, das Ideal der reinen ersten christlichen Gemeinschaft wiederzubeleben“, sei nicht die Rede. Der Papst und der Patriarch seien sich weiterhin der geistlichen und historischen Barrieren bewusst, die zwischen beiden Kirchen stünden, sagte Pezzi der Nachrichtenagentur Tass.

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