Paritätischer Gesamtverband: Soziale Spaltung sorgt für Ängste

Fast 90 Prozent der Deutschen fürchten um den sozialen Zusammenhalt, berichtet der Sozialverband – und fordert einen höheren Spitzensteuersatz.

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Alleinerziehende sind besonders von Armut betroffen Foto: dpa

Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat am Dienstag sein Jahresgutachten zur sozialen Situation in Deutschland vorgestellt. Laut Papier sorgen sich fast 90 Prozent der Bevölkerung um den sozialen Zusammenhalt in Deutschland, etwa ein Drittel macht sich gar „große Sorgen“. Als Grund für die Ängste der BürgerInnen erkennt man beim Paritätischen vor allem, dass es der Politik nicht gelänge, die soziale Ungleichheit in Deutschland zu verringern. So werde Menschen mit niedrigem Einkommen zu wenig geholfen, wie es etwa durch Betreuungsangebote für Kinder und Schuldnerberatung möglich wäre.

Gleichzeitig könne sich die Politik aber auch nicht dazu durchringen, den Spitzensteuersatz zu erhöhen, beklagt der Paritätische. Viele Menschen könnten von ihrem Lohn nicht leben oder keine ausreichenden Ansprüche auf Leistungen der Arbeitslosen- und Rentenversicherung anmelden. Noch immer arbeite gut ein Fünftel der Beschäftigten für weniger als 10,50 Euro pro Stunde und damit im Niedriglohnbereich.

Der Europarat definiert sozialen Zusammenhalt als die „Fähigkeit einer Gesellschaft, das Wohlergehen all ihrer Mitglieder zu sichern“ und gesellschaftliche Konflikte und Spannungen zu entschärfen, indem Ungleichheit reduziert werde. Für den Paritätischen Wohlfahrtsverband, einen der großen Dachverbände für soziale Einrichtungen, bildet ein solcher Zusammenhalt die Basis für wirtschaftliche und gesellschaftliche Stabilität sowie den sozialen Frieden. Um ihn zu messen, greift der Wohlfahrtsverband jedes Jahr auf öffentlich zugängliche Statistiken zurück, verzichtet aber auf eigene Erhebungen, um Transparenz zu gewährleisten.

Soziale Spaltung in den letzten Jahren vorangetrieben

Die Opposition reagierte prompt auf den Bericht. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sagte gegenüber der dpa, die Politik der vergangenen Jahrzehnte habe die soziale Spaltung vorangetrieben, das gesellschaftliche Klima vergiftet und damit den Rechtspopulismus gestärkt. Auch sein Kollege, der Linken-Parteichef Bernd Riexinger, forderte eine Umverteilung der Mittel in Deutschland durch eine höhere Besteuerung von Spitzenverdienern und Vermögenden. Man müsse „endlich ran an die Spitzengehälter und Boni der deutschen Führungsetagen“, sagte Riexinger der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Welche Konsequenzen die Regierung aus dem Gutachten zieht, ist bisher unklar. Im Koalitionsvertrag hatten es sich SPD und CDU jedoch zur Aufgabe gemacht, den sozialen Zusammenhalt in Deutschland zu stärken und Ungleichheit zu verringern. Im Innenministerium gibt es seitdem mit den Arbeitsbereichen „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ und „Gesellschaftlicher Zusammenhalt“ eigene Abteilungen, die sich um diese Themen kümmern sollen.

Katja Mast, Sprecherin für Arbeit und Soziales der SPD-Bundestagsfraktion, betonte am Dienstag den Anspruch ihrer Partei, Solidarität und Zusammenhalt zu stärken, etwa beim Kampf gegen Kinder- und Altersarmut oder mit einer Stabilisierung der Rente.

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