Parkraumbewirtschaftung: Teures Parken, gutes Parken

Parkautomaten erhitzen die Gemüter. In eineinhalb Wochen findet in Mitte ein Bürgerentscheid statt. Verkehrssenatorin Junge-Reyer startete am Mittwoch mit einem Gutachten in den Wahlkampf.

Haben sonst wenig miteinander zu tun: Fahrräder und Parkautomaten Bild: AP

Es war natürlich purer Zufall, dass Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) eineinhalb Wochen vor dem Bürgerentscheid zur Parkraumbewirtschaftung in Mitte die Reklametrommel rührte. "Völlig unabhängig" von der Abstimmung warb die Senatorin am Mittwoch dafür, in stark frequentierten innerstädtischen Zonen Parkuhren aufzustellen und Vignetten an die Anwohner zu verkaufen. Eine überarbeitete Broschüre als Leitfaden für die Bezirke gab es gleich dazu.

Die Parkraumbewirtschaftung solle schrittweise ausgebaut werden, erklärte sie zugleich; allerdings nicht flächendeckend für das gesamte Gebiet innerhalb des S-Bahn-Rings - in reinen Wohngebieten etwa im Wedding oder in Prenzlauer Berg lohnt sich das Konzept nicht.

Unterstützt wurde Junge-Reyer dabei vom Leiter des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu), Klaus Beckmann (siehe Interview). "Wir versuchen mit der Parkraumbewirtschaftung zu erreichen, dass der öffentliche Nahverkehr mehr genutzt und die Innenstadt entlastet wird", sagte Junge-Reyer. "Anwohner werden dank der Vignetten privilegiert." Anfangs seien die Anwohner aber immer skeptisch, so die europaweite Difu-Studie.

Berlin ist keine Ausnahme: Ende September stimmen die Bewohner in Mitte über drei Parkraumzonen ab, die im April eingeführt wurde. Die Initiative, die den Entscheid erwirkte, sieht Parkscheinautomaten und Anwohner-Vignetten "als Abzocke". Sie fürchtet, dass die Regelungen nach und nach auf die ganze Stadt ausgeweitet werden.

Jüngst gründete sich aber auch ein Bündnis pro Parkraumbewirtschaftung. Seine Aktivisten argumentieren, Parkgebühren und Anwohnervignetten seien ein wirksamer und sozial gerechter Beitrag zur Lebensqualität in verdichteten Quartieren. Dem Kreis gehören Kommunalpolitiker der SPD, Linken, Grünen und Umweltverbände sowie der Fahrgastverband an.

Der Baustadtrat von Mitte, Ephraim Gothe (SPD), verwies darauf, dass die Auslastung des Parkraums seit Einführung der Parkgebühren und Anwohnervignetten in dem Gebiet deutlich geringer geworden sei. Die Parkraumnachfrage habe sich von über 110 Prozent im Jahr 2005 tagsüber auf 80 Prozent verringert. Jeder zweite befragte Autofahrer müsse keinen Parkplatz mehr suchen.

Gothe hatte die Parkuhren im Frühjahr aufstellen lassen, obwohl sich schon Widerstand gegen das Konzept regte. Kurze Zeit später senkte der Senat die Gebühren für Anwohner-Vignetten. Seit 1. August kosten sie 20,40 Euro für zwei Jahre statt wie zuvor 51 Euro. Damit liegt Berlin laut Difu bundesweit im unteren Durchschnitt.

In Charlottenburg-Wilmersdorf hatten die Bürger gleichwohl im vergangenen Jahr per Entscheid die Einführung gebührenpflichtiger Parkplätze gestoppt. Sollte auch der Urnengang in Mitte erfolgreich sein, stellt sich die Frage nach Alternativkonzepten. "Dann müssten wir überlegen, wie attraktiv Bus-, Bahn- und Radfahren in Berlin ist", sagte Junge-Reyer. Eine City-Maut wie in London und Stockholm lehnt die Senatorin vehement ab.

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