Parlamentswahl in Finnland: „Wahre Finnen“ im Aufwind

Der Eintritt der Rechtspopulisten in die Regierung scheint eine ausgemachte Sache. Die Bilanz der bisherigen Koalition ist miserabel.

Die Qual der Wahl, auch in Helsinki. Bild: ap

STOCKHOLM taz | In Skandinavien sind die Rechtspopulisten auf dem Vormarsch. In Norwegen koaliert seit eineinhalb Jahren die „Fortschrittspartei“ zusammen mit den Konservativen. Und demnächst wird aller Voraussicht nach in einem weiteren nordischen Land eine rechtspopulistische einwanderungsfeindliche Partei mitregieren: die Wahren Finnen.

Umfragen vor den Parlamentswahlen am kommenden Sonntag versprechen der Partei ein annähernd so gutes Ergebnis wie vor vier Jahren. Damals verfünffachte sie infolge der Euro-Krise ihren Stimmenanteil und wurde mit 19 Prozent drittstärkste Kraft. Potenzielle Koalitionspartner, die gern mit den Wahren Finnen eine Regierung bilden würden, stehen jedenfalls schon bereit.

In erster Linie das liberale Zentrum. Das war 2011 nach acht Regierungsjahren nur noch viertstärkste Partei geworden und teilte sich in den vergangenen vier Jahren mit den Wahren Finnen nicht nur die Oppositionsrolle, sondern votierte im Parlament im Wesentlichen auch wie diese. Umfragen sagen dem Zentrum mit bis zu 25 Prozent der Stimmen einen klaren Sieg voraus.

Ihr Parteivorsitzender Juha Sipilä würde für diesen Fall Ministerpräsident werden. Und auch wenn feste Koalitionsaussagen vor dem Wahlabend in Finnland nicht üblich sind, macht er kein Hehl aus favorisierten Regierungspartnern: die Wahren Finnen und die Sozialdemokraten. Die gehörten der „Regenbogenregierung“ an, die von rechts bis ganz links reichte und aus sechs Parteien bestand. Zwei waren abgesprungen: die Linken, weil sie Kürzungen von Sozialleistungen nicht mittragen wollten, und die Grünen aus Protest gegen einen AKW-Neubaudeal.

Nach einer Umfrage bewerten sechs von zehn FinnInnen die Bilanz der Regierung als „schlecht“ oder „sehr schlecht“. Vor allem Konservative und Sozialdemokraten blockierten sich oft gegenseitig. In Finnland traf der Niedergang von Nokia zusammen mit einer Strukturkrise in tragenden Branchen wie Papier und Maschinenbau. Zuletzt kam dann noch ein Einbruch des Handels mit dem wichtigen russischen Markt dazu. Der einstige Euro-Musterschüler hat 2014 mit einem Haushaltsdefizit von 3,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erstmals seit 1996 die 3-Prozent-Maastricht-Latte gerissen.

Horst-Wessel-Lied gesungen

Vor den Wahlen schaffte man es deshalb gar nicht mehr, ein „Reform“-Paket zu schnüren. Und auch die Wahlkampfhilfe von Angela Merkel Ende März bei Parteifreund und Nochministerpräsident Alexander Stubb dürfte nicht verhindert haben, dass die Konservativen wohl deutlich zurückgestutzt auf der Oppositionsbank landen werden. Als „traumatisch“ bezeichnete Stubb selbst seine Regierungszeit, dem Kabinett habe es „an Mannschaftsgeist gefehlt“.

Erstaunlich wenig thematisiert wird der erwartete Einzug der Wahren Finnen in die Regierung. Der Parteivorsitzende Timo Soino hat sich bemüht, eine regierungstaugliche Fassade aufzubauen. Aber hinter der verbirgt sich auch eine fremdenfeindliche und teilweise rassistische Phalanx in Partei und Fraktion, die von der Leine gelassen wird, weil das Wählerstimmen bringt. Erst Anfang März warfen Berichte über eine Veranstaltung des Jugendverbands der Partei, bei der das „Horst-Wessel-Lied“ gesungen wurde, wieder ein Schlaglicht darauf, welcher Geist in Teilen der Partei herrscht.

Im Februar legten die Wahren Finnen ein einwanderungspolitisches Programm mit Vorschlägen zur Verschärfung des Ausländerrechts vor, dass viele Juristen für verfassungswidrig halten. Und im Endspurt des Wahlkampfs versuchte man auch wieder verstärkt mit dem Einwanderungsthema zu punkten und präsentierte eine Studie über die angeblichen Kosten der Einwanderung für Finnland, die Experten als „absurd“ und Kritiker als „inhuman“ abtun.

Doch weil sie für parlamentarische Mehrheiten gebraucht werden, signalisieren bis auf Linke und Grüne alle Parteien Zusammenarbeitsbereitschaft mit den Rechtspopulisten. Als „erschreckende Prinzipienlosigkeit“ kritisiert das die Medienprofessorin Anu Koivonen. Timo Soini bereitet sich jedenfalls schon mal auf eine Ministerrolle vor. Außenminister möchte er am liebsten werden.

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