Parteiensystem in Spanien: Das Ende der Zweisamkeit

Bisher dominierten in Spanien Sozialisten und Konservative das politische Spektrum. Das wird sich nun ändern. Links und rechts treten neue Parteien an.

Bekommen Konkurrenz: Sozialisten-Parteichef Alfredo Perez Rubalcaba (links) und der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy. Bild: dpa

MADRID taz | Bei den Europawahlen kann die regierende Partido Popular (PP) Umfragen zufolge einen knappen Sieg über die sozialistische PSOE davontragen. Doch diese Nachricht verbirgt im Grunde eine wichtigere, die so beschrieben werden kann: „Das Zweiparteiensystem ist tot.“ Denn Sozialisten und Volkspartei verlieren bis zu einem Drittel ihrer Stimmen.

Insgesamt könnten beide Parteien im Vergleich zu den Europawahlen vor fünf Jahren vier Millionen WählerInnen verlieren. Für die PP werden etwa 32 Prozent der Stimmen vorhergesagt; 2009 waren es 42,7 Prozent. Und die Sozialisten rutschen nach diesen Prognosen von 39,3 auf unter 31 Prozent. Das System, das in Spanien seit dem Ende der Diktatur funktionierte, steckt offenbar in einer Krise.

Die Vereinigte Linke (IU) und die in der politischen Mitte angesiedelte Union für Demokratie und Fortschritt (UPyD), die sich aus Dissidenten aus beiden großen Parteien speist, sind die Hauptgewinner dieser Entwicklung. Der IU werden mehr als 10 statt bisher 3,8 Prozent vorhergesagt, der UPyD über 6 statt bisher 2,9 Prozent.

Links und rechts treten neue Formationen an und versprechen sich einen Sitz in Straßburg. Allen voran wird es die Stunde der Wahrheit für Spaniens grüne Partei Equo. Unter der Marke „Europäischer Frühling“ sucht sie den Erfolg in Koalition mit mehreren kleinen regionalen Formationen. Je nach Umfragen darf sie sich mit 2,5 Prozent Hoffnung auf eines der 54 spanischen EU-Mandate machen.

Heimatlose Linke

Optimistischer blickt „Podemos“ – „Wir können“ in die nahe Zukunft. Die Partei rechnet mit drei Sitzen. Sie ist das Projekt von Pablo Iglesias, einer der wenigen fortschrittlichen Stimmen in Spaniens TV-Landschaft. Der 36-jährige Politikprofessor der Universität Complutense in Madrid nimmt häufig an TV-Talkshows teil. Er ist zur Stimme derer geworden, die mit der Sparpolitik nicht einverstanden sind. Iglesias schart auch heimatlose Linke und Aktivisten aus den sozialen Protesten um sich.

War es bisher nur die politische Linke, in der sich mehrere Kräfte um die Wählergunst streiten, wird bei der Europawahl auch der PP ein Konkurrent entstehen. „VOX“ nennt sich die neue Kraft. Es ist so etwas wie die spanische Tea Party. Namhafte Politiker aus dem Lager der Konservativen haben sich VOX angeschlossen.

Deutschland als Vorbild

Sie wollen ein noch härteres Vorgehen gegen die Separatisten in Katalonien und dem Baskenland, sind gegen Hafterleichterung für Gefangene aus ETA, gegen Abtreibung auch nach einer Vergewaltigung und gegen die Gleichstellung Homosexueller im Eherecht. Rund eine Million der etwa zehn Millionen Wähler aus dem Lager der PP sollen VOX ideologisch nahestehen, so die Einschätzung der Meinungsforscher.

Angesichts der Erosionen im Zweiparteiensystem werden Stimmen laut, die für die in zwei Jahren in Spanien anstehenden Parlamentswahlen vorausplanen. Sie sehen die deutsche Große Koalition als Vorbild. Diese Idee wird von Unternehmern und ehemaligen sozialistischen Regierungschefs wie Felipe González und José Luis Rodríguez Zapatero forciert. Gegner eines solchen Projekts befürchten, dass eine gemeinsame Regierung der bislang dominierenden Parteien das Ende von Sozialisten und Konservativen als Großformationen einleiten könnte.

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