Parteigründung in Bremen: Die neuen, alten Liberalen

Im Dezember wollen die „Neuen Liberalen“ einen Bremer Landesverband gründen. Die Sozialliberalen wollen auch zur Bürgerschaftswahl antreten. Ihr Gegner: die AfD.

Freiheitsbegeisterung ohne Schlips und Anzug. Auch in Bremen setzen die Neuen Liberalen auf Vielfalt Bild: dpa

BREMEN taz | Die „Neuen Liberalen“ wollen einen Landesverband in Bremen gründen und zur Bürgerschaftswahl antreten. Für Anfang Dezember soll zu einem Parteitag geladen werden.

Rechtsanwälte, ein Professor, ein Schüler – ein Dutzend Parteimitglieder oder Interessierte hatten sich am Montagabend in einem Hinterzimmer im Restaurant „Friesenhof“ getroffen: Piraten, denen ihre Partei zu chaotisch wurde oder Grüne, die zu viel Paternalismus ablehnen. Die meisten aber sind enttäuschte Ex-FDPler. Dass Bremen eine sozialliberale Partei brauche, links von der FDP und rechts von den Linken, darin waren sich alle einig.

Seit Ende September die bisherige FDP-Vorsitzende Sylvia Canel und ihr Vize Najib Karim in Hamburg die „Neuen Liberalen“ gründeten, schauten Sozialliberale hoffnungsvoll gen Norden. „Wir wollen keine entfesselten Märkte, sondern befreite Individuen“, sagt Rechtsanwalt Jens-Peter Gieschen, der in Bremen die Gründungsphase koordiniert, „und das bedeutet bei uns eben auch nicht nur befreite Zahnärzte und Rechtsanwälte“. Eine Partei der Bürgerrechte will man sein und mit der FDP der vergangenen Dekaden wenig zu tun haben: Wenn schon, dann knüpfe man an das an, „was verlorengegangen ist, als die Liberalen sich irgendwann Ende der 1970er-Jahre einmal für die falsche Seite entschieden haben“.

Bremen wäre nach Hamburg der zweite Landesverband. In beiden Stadtstaaten sollen die Wahlen im Frühjahr 2015 dem Projekt Auftrieb verleihen.

Am Montag hat einer eine Mappe mit Zahlen vorbereitet: 2.000 Stimmen wären in Bremerhaven nötig, um ins Parlament einzuziehen. Der fensterlose Raum mit Fachwerk-Ästhetik wirkt wie gemacht für politische Verschwörungen. Bierkrüge stehen auf der Tafel, ein paar Notizblöcke. 1.000 Unterschriften bräuchten sie, um zur Bürgerschaftswahl zugelassen zu werden, sagt der Mann mit der Mappe, 400 in Bremerhaven. „Dann mal los“, sagt er. Der Fahrplan ist klar.

Ein paar Stühle weiter sitzt Carsten Lemmermann. Er ist Volkswirt und aus der FDP ausgetreten, etwa um die Zeit, als der euroskeptische FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler einen Mitgliederentscheid gegen den dauerhaften Euro-Rettungsschirm initiierte. „Ich kann nur hoffen, dass die Neuen Liberalen europäischer auftreten“, sagt Lemmermann.

Die Runde diskutiert: Sozialer Wohnungsbau sei in Bremen ein wichtiges Thema, „für Singles, Studenten, junge Familien“. Um eine „Entideologisierung der Verkehrspolitik“ müsse man sich bemühen. Ob man erst am Programm arbeiten oder erst einen Verband gründen solle, steht kurz zur Debatte.

Damit es nicht aus dem Ruder läuft, ist Patrick Hennings da. Er sitzt am Kopfende des Tisches und moderiert. Seit der Gründung ist Hennings im Bundesvorstand der Neuen Liberalen. Als Ombudsmann soll er die Basis mit der Parteiführung vernetzen. Der Aufbau neuer Verbände ist ein Fulltimejob. Er muss den politischen Kurs halten und kann „Sozialliberalismus“ deshalb in einem Satz erklären: „Im Prinzip geht es darum, dass Freiheit ohne Gerechtigkeit nicht bestehen kann“, so Hennings.

20 Jahre lang war er bei den Grünen aktiv, kandidierte für deren Landesvorstand in NRW und die Liste fürs Europaparlament, allerdings erfolglos. Dass er nun bei den Neuen Liberalen der erste Taube in einem Bundesparteivorstand ist, darauf ist er stolz. Hennings liest von den Lippen ab und für die Kommunikation sei das positiv, sagt er: „Das Redeverhalten ändert sich, die Leute sind disziplinierter.“

Seit vielen Jahren kämpft er für die Inklusion, eine, die umfassend für alle Menschen gilt, die vom gesellschaftlichen Ausschluss bedroht sind. „In Bremen hat man gute Fortschritte beim gemeinsamen Lernen gemacht“, sagt er und erwägt, hier zu kandidieren.

Der Parteienforscher Lothar Probst hält einen Erfolg der Neuen Liberalen allerdings für „unwahrscheinlich“: „Schon bei der letzten Wahl rangierten sozialliberale Kleinstparteien unter ferner liefen.“ Die Leute würden sich eher auf die bekannten Parteien fokussieren. Chancen sieht Probst eher für die AfD.

Genau denen aber wollen die Neuen Liberalen etwas entgegensetzen: „Die AfD ist die einzige Partei, der wir auf die Füße treten wollen“, sagt Hennings. Mit allen anderen würde man kooperieren, „allein, weil viele unserer Mitglieder aus diesen Parteien kommen“.

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