Parteitag der AfD: Mit Stein und Schleuder für Europa

Ihre Kandidatenliste für die Europawahl hat die AfD beim Parteitag nicht komplettiert. Doch die kritisch-antieuropäische Rhetorik steht.

Noch ohne Schleuder, der selbsternannte David: Bernd Lucke Bild: dpa

ASCHAFFENBURG taz | Vorbei die Zeiten, da alleine der Euro von der europakritischen Alternative für Deutschland (AfD) bekämpft werden sollte. Dem traditionellen Reservoir konservativer Weltanschauungen gilt nun auch das besondere Augenmerk einer sich breiter aufstellenden AfD, wie ihr Bundesparteitag im nordbayerischen Aschaffenburg gezeigt hat.

Erwartungsgemäß wurde von den rund 350 Delegierten der Vorsitzende, Bernd Lucke, auf den ersten und seine wichtigste Neuerwerbung, der ehemalige Industriekapitän Hans-Olaf Henkel, auf den zweiten Listenplatz gewählt. Für die übrigen 30 Plätze herrschte am Samstag ein unerwarteter Andrang von rund 100 Kandidatinnen und Kandidaten, sodass der Parteitag nach elf Stunden abgebrochen werden musste und in den nächsten Tagen in die Verlängerung gehen wird – zumal aus Zeitgründen auch über das eigentliche Programm für die Europawahl keine Diskussion stattfinden konnte.

In ihren Reden aber ließen Lucke und Henkel keine Zweifel darüber aufkommen, mit welcher Erzählung die AfD über die 3-Prozent-Hürde kommen will, die – einfacher als das 5-Prozent-Minimum bei Bundestagswahlen – zu überspringen sein wird : „Wir standen da wie David gegen Goliath, aber ohne Steine und Schleuder“, erinnerte Lucke an die Anfänge der Partei vor nicht einmal einem Jahr.

Inzwischen, so die Botschaft, gebe es Geld und Personal, Steine und Schleuder. Die Rolle des Goliath wies Lucke abwechselnd den „europäischen Institutionen“ und einer Allianz der „Altparteien“ zu, die er allesamt einer „unkritischen proeuropäischen Rhetorik“ bezichtigte.

Die Linkspartei attackierte Lucke launig mit Versen von Heinrich Heine, seine schärfsten Angriffe aber richtete er gegen jene Partei, die seiner eigenen am nächsten steht – die CSU. Hier bemühte der belesene Lucke den Dichter Matthias Claudius, um den CSU-Chef Horst Seehofer zu charakterisieren, der der AfD mit einem „harten Wahlkampf“ gedroht hatte. Der sei ein „gar gefährlich Mann“, ein „entsetzlich großes Maul, doch nur ein kleines Hirn“. Angela Merkel bezeichnete Lucke als SPD-Politikerin, und für die „Umfallerpartei“ FDP hatte er nur Spott übrig – tatsächlich liegt laut einer aktuellen Emnid-Umfrage die AfD derzeit mit sieben Prozent nur knapp hinter der Linken. Die FDP dagegen ist mit drei Prozent abgeschlagen.

„Neonazi oder Spinner“

Seine kritisch-antieuropäische Rhetorik zielte, nicht ungeschickt, auf das Demokratiedefizit der Institutionen in Brüssel. Vor allem durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) sehen Lucke und seine Anhänger die Autonomie deutscher Banken und damit „nationale Interessen“ gefährdet. Hans-Olaf Henkel flankierte diese Positionen in seiner Rede mit Seitenhieben auf die Türkei („undemokratisch“) und den Islam als solchen, der ja überall vor allem auch die Rechte der Frau beschneide.

Mit Henkel, das wurde deutlich, hat die AfD ein Zugpferd ganz nach ihrem Geschmack gewonnen. Der Mann gilt als wirtschaftsnah und somit kompetent, seine dandyhafte Seriösität kommt bei Wutbürgern und Wirtschaftsexperten gleichermaßen gut an – also auf beiden Flügeln einer Partei, der Henkel in gönnerhafter Kurzsichtigkeit bescheinigte, in ihr bisher „nicht einen einzigen Verrückten, Neonazi oder Spinner gesehen“ zu haben.

Ebenfalls aufschlussreich waren die Reden der übrigen Kandidaten. Darin wurde unter anderem gefordert, die „kleinen Leute“ mehr in den Blick zu nehmen. Deren Stimmen seien nötig, damit der „Mittelstand“ nicht weiter „zermahlen“ wird. Das Europaparlament wurde als „Herz der Finsternis“ bezeichnet, immer wieder stellten sich Kandidaten als „heterosexuell“ vor und ernteten Applaus für die große Zahl ihrer Kinder. Dem traditionellen Reservoir konservativer Weltanschauungen gilt nun auch das besondere Augenmerk einer sich breiter aufstellenden AfD. Vorbei die Zeiten, da alleine der Euro bekämpft werden sollte.

Zuweilen zeigte der Parteitag chaotische Züge. Redebeiträge reichten von ideologischen Vorlesungen über Anträge auf Entfernung des Vorsitzenden vom Podium bis zu schmutziger Wäsche, die öffentlich gewaschen wurde. Geordneter ging es da schon vor der Halle zu, wo etwa 100 Menschen einer Kundgebung gegen Rechtspopulismus gefolgt waren. Deren Argumente prangten, neben Farbbeutelflecken, bereits als Graffiti an einer Wand des Tagungsgebäudes. Sie lauteten „Verpisst euch“ und „Haut ab“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.