Partybetreiberinnen über „hoe_mies“: „Frauen*, Queers, People of Color“

Gizem Adiyaman und Lucia Luciano starteten „hoe_mies“, eine Partyreihe für Frauen* und queere Persons of Color. Männer dürfen rein – nur nicht auflegen.

Gizem Adiyaman und Lucia Luciano von der Partyreihe hoe_mies

Ein empowerndes Team: Gizem Adiyaman und Lucia Luciano Foto: Franz Becker

taz: Frau Adıyaman, Sie machen die Hip-Hop-Partyreihe „hoe_mies“. Auf dem „splash!“, einem großen Hip-Hop-Festival, haben Sie vor ein paar Wochen einen Abend lang eine Bühne bespielt und die Party im August in Berlin musste in einen größeren Ort verlegt werden – läuft gut bei Ihnen, oder?

Gizem Adıyaman: Ich würde schon sagen, dass wir damit ganz gut fahren. Anfangs dachten wir, wir machen das für uns und unsere Freund*innen und deren Freund*innen. Dann war aber direkt bei der ersten Party schon Einlass-Stop. Und so ging es dann eigentlich nur weiter.

Was ist das Konzept hinter „hoe_mies“, das so gut ankommt?

Die Idee ist, einen Raum innerhalb von Hip-Hop zu schaffen, der sich Frauen* und gender­queeren Personen of Color widmet. Natürlich in allen Intersektionen dieser Identitäten. Wir buchen also keine cis-männlichen DJs, wir buchen nur unsere eigene Community. Eben weil wir in der Szene so stark marginalisiert werden. Am Anfang haben wir das eigentlich nur gemacht, um uns selbst was zu beweisen. Aber auch, um gegen eine Szene zu protestieren, die sehr ausschließend gegenüber Frauen* und Menschen aus der LGBTQI-Community ist. Also die deutsche Hip-Hop-Szene allgemein, aber auch die Berliner Hip-Hop-Party-Szene.

Wie oft kriegen Sie den Vorwurf zu hören, Sie würden weiße cis-Männer diskriminieren?

Ach, irgendwie hat das aufgehört. Das war anfangs ein bisschen so, aber mittlerweile wissen die Leute, worum es geht. Und es ist ja nun auch so, dass cis-Männer, vor allem weiße cis-Männer, überall hin Zugang haben und du sie auf jeden Partys findest. Da kann es auch mal eine Party geben, wo das nicht der Fall ist.

Also kommen weiße cis-Männer nicht rein?

Doch, natürlich. Wir sagen immer, auf unsere Partys können alle kommen, die unser Konzept supporten. Nur bei der Party involviert, sprich an den Decks oder auf der Bühne, sind keine cis-Männer. Aber sonst: kommt gerne vorbei und lasst euer Geld da. Ich finde aber wichtig, seine Intentionen zu hinterfragen, warum man zu unserer Party möchte. Also nicht einfach nur auf den Hype aufzuspringen. Denn mit unserer wachsenden Bekanntheit kommen auch immer mehr privilegiertere Personen zu den Partys. Was prinzipiell nicht schlimm ist, aber unser Raum soll trotzdem als Em­powerment-Space für ­People of Color verstanden werden.

Nicht nur die Hip-Hop-Szene ist sexistisch, sondern auch viele Songs aus dem Genre. Werden die auf Ihren Partys nicht gespielt?

Es kommt total drauf an. Wir legen schon Wert darauf, dass auch Musik von weiblichen Interpretinnen gespielt wird. Dass es da eine Balance gibt, denn das gibt es auf den meisten Partys nicht. Da werden dann oft den ganzen Abend nur Songs von Männern gespielt und der DJ merkt gar nicht, was das für Auswirkungen auf das Publikum hat. Ich hab nichts gegen sexuell explizite Texte, denn man muss auch einen Unterschied machen zwischen sex-positiven und sexistischen Texten. Wir haben uns einen Rahmen geschaffen, in dem unsere Gäste kritisch reflektieren können, dass auch explizite Songs keine Aufforderung sind, jemanden zu packen. Man kann das ironisch auffassen in so queerfeministischen Situationen.

Was für Auswirkungen hat es denn auf ein Publikum, wenn immer nur Songs von Männern gespielt werden?

Man nimmt den Vibe passiv auf und empowert, also ermutigt gewisse Menschen dadurch. Und auf den meisten Hip-Hop-Partys ist es so, dass die Männer sich besonders empowert fühlen – und dann sind das auch noch so sexuell aufgeladene Songs.

Dass Frauen auf Hip-Hop-Partys so oft ungefragt angetanzt werden, liegt also daran, dass die Musik das beeinflusst?

Wenn auf einer Mainstream-Hip-Hop-Party fünf männliche DJs den ganzen Abend Tracks von Männern für ein Publikum mit überdurchschnittlich vielen Männern spielen, wirkt sich das bewusst oder unbewusst auf die anwesenden Frauen aus. In den Texten werden Frauen oft stark sexualisiert und passiv dargestellt. Auch in Rap-Videos sieht man ja viele Frauen, die leicht bekleidet tanzen, wohingegen der Mann voll bekleidet daneben steht. Das soll jetzt nicht so klingen, als hätten Video Models oder körperpositive Rapperinnen kein Recht darauf, ihre Sexualität selbstbestimmt auszuleben. Aber in den meisten Produktionen, die cis-männliche Rapper in den Fokus stellen, stehen die Frauen nicht für sich. Diese sexistischen Dominanzverhältnisse sind im Rap sehr überspitzt dargestellt, aber sie spiegeln irgendwo Dynamiken wider, die sich anders gelagert auch in der Gesellschaft wiederfinden. Das ist einfach so normalisiert, dass dann grenzüberschreitende Situationen auf Partys zustande kommen.

Trotzdem ist der Name eine Zusammenfügung aus „hoe“, also „Schlampe“ und „homie“, Kumpel. Warum haben Sie einen so abwertenden Begriff als Teil des Namens ausgewählt?

Die Überlegung dahinter ist, sich Begriffe anzueignen, die uns kontrollieren oder schaden. So verhält es sich mit Begriffen wie „hoe“ oder „bitch“. Als Frau muss man immer darauf achten, nicht mit diesem Etikett beklebt zu werden. Wir dachten uns: Schluss damit, wir dürfen uns nicht diktieren lassen, wie wir zu leben haben, wie wir uns sexuell auszudrücken haben. Und deswegen muss man solche Begriffe aufbrechen und ihnen die Power nehmen. Und wenn man sie in etwas Ironisches und etwas Empowerndes verwandelt, dann hat das eine Macht.

Sie wollen ein Safe Space für Ihre Community sein – wie geht das?

Ich würde gar nicht behaupten, dass unsere Party ein Safe Space ist. Ich finde den Begriff immer schwierig, denn das kann man nie garantieren. Selbst wenn man sagt, wir stellen Frauen* in den Fokus, wir stellen Queers und People of Color in den Fokus, kann es immer noch passieren, dass du aufgrund von Klasse oder von Religion oder sonst was eine Diskriminierungserfahrung machst. Oder wenn Menschen unsensibel sind mit gewissen Thematiken, dann kann es trotzdem scheiße für dich ausgehen. Wir können nie garantieren, dass nicht doch in den persönlichen Space von jemandem eingegriffen wird auf unserer Party. Wir hatten es auch schon, dass jemand auf unseren Partys begrabscht wurde. Die Frage ist dann: Wie geht man damit um?

Und Ihre Antwort?

Wir haben ein Awareness-Team, das dafür sorgt, dass solche Fälle ernst genommen werden, dass zugehört wird, dass sich Menschen kümmern. Also dass es nicht als Teil einer Party­nacht hingenommen wird, wie es sonst oft der Fall ist. Das Aware­ness-Team sind immer Leute aus unserer Community, die T-Shirts tragen und dann ansprechbar sind. Das ist nicht als Polizei oder als Patrouille zu verstehen, sondern sie stehen da und sind sichtbar, und wenn was ist, können sie vermitteln, als Puffer dienen oder die Security rufen. Ich würde aus diesem Grund bei unseren Partys von einem „Safer Space“ sprechen.

Und wenn sich tatsächlich eine Person daneben benimmt, wird sie dann sofort rausgeschmissen?

Ich finde nicht in jeder Situation muss jemand sofort rausgeschmissen werden. Also klar, bei physischen Übergriffen auf jeden Fall. Wir hatten mal so eine Situation, da war ein Rollstuhlfahrer auf unserer Party. Und da war eine Gruppe von drei weißen cis-Männern, die meinten: „Oooh, voll inklusiv, sogar mit Rollstuhl.“ Das hat eine Person aus dem Awareness-Team gehört und hat dann erst mal mit der betroffenen Person gesprochen, hat sie darüber informiert und gefragt, wie sie möchte, dass vorgegangen wird. Das ist wichtig, weil nicht jede*r möchte, dass die Security gerufen wird, nicht jede*r möchte diese Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Dann hat die Person aus dem Awareness-Team die Typen konfrontiert und gesagt, dass solche Aussagen nicht in Ordnung sind. Die haben sich entschuldigt und es war für die Person im Rollstuhl auch okay, dass sie bleiben.

Sie haben einen Code of Conduct, einen Verhaltenskodex. Wie lautet der?

hat gemeinsam mit Lucia Luciano die Partyreihe „hoe_mies“ gegründet. Daneben studiert Adiyaman Politikwissenschaft, engagiert sich im antirassistischen Projekt „Dialog macht Schule“ und ist eine der Verfasser*innen der Kampagne #ausnahmslos gegen sexualisierte Gewalt und Rassismus. Luciano studiert Literatur und arbeitet als Model und Schauspielerin. Seit etwas über einem Jahr veranstalten sie gemeinsam Partys für Frauen* und nicht-binäre Personen of Color. Bei der nächsten Party im Humboldthain Club Berlin am 11. 8. gibt es nicht nur eine Open-Decks-Session, bei der sich die Teilnehmenden des DJ-Workshops ausprobieren können, sondern auch kosten­loses Wassereis.

Wir dulden keine Hassrede, wir dulden keine Diskriminierung, egal auf welcher Grundlage. Und wir dulden keine grenzüberschreitenden Handlungen, also Eingriffe in den persönlichen Raum einer Person, ohne gefragt zu haben. Das posten wir am Abend unserer Party überall und das drucken wir auch aus und kleben es in den physischen Räumen selber an.

Sie bestärken Ihre Community nicht nur auf den Partys, sondern auch, indem Sie einen Workshop für New­comer*innen gegeben haben. Ist da noch mehr geplant?

Uns fehlt noch die Finanzierung. Wir haben den letzten aus eigener Tasche gezahlt, indem wir ein paar Gigs pro bono gespielt haben. Wir wollen aber noch mehr in die Richtung machen. Seitdem Lucia und ich „hoe_mies“ machen, haben wir uns ganz viele Skills selbst aneignen müssen. Wir managen uns selber, wir booken für unsere Partys, wir sind für alle möglichen logistischen Abläufe zuständig, wir machen das Marketing. Ich mache zum Beispiel immer die Poster, obwohl ich vorher gar keine Ahnung von Graphic Design hatte. Oder auch so etwas wie Verhandeln. Das sind alles Sachen, die gerade für jüngere Frauen* cool sind zu lernen. Vielleicht sind wir ja in ein paar Jahren in der Lage, einen Verein zu gründen, Funding zu beantragen und Workshops an Schulen anzubieten.

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