Pascal Bruckner über Hedonismus: „In Ökologie steckt totalitäre Versuchung“

Gute Nachrichten für Hedonisten: Nicht unbedingt verzichten, aber unbedingt mehr ökologische Konzepte entwickeln, sagt der französische Publizist Pascal Bruckner.

Für manche liegt das gute Leben in der Südsee. Für andere direkt vor der Haustür im Münchner Olympiapark. Bild: dpa

tazlab: Viele linke und grüne Intellektuelle – in Deutschland etwa Sozialpsychologe Harald Welzer – fordern, dass das „gute Leben“ in jedem Fall ein bescheideneres sein soll, und wollen etwa, dass man auf Flugreisen verzichtet.

Pascal Bruckner: Wer soll entscheiden, wer wann fliegt? Ein Konsortium aufgeklärter Menschen, die Bescheid wissen und den Unwissenden ihre Entscheidungen auferlegen? Und was soll ein Flugverbot auch nur im mindesten am Klima ändern?

Sollten wir tatsächlich von einer Katastrophe bedroht sein, dann sind es nicht die Rezepte der grünen Fundamentalisten – Fahrradfahren, auf Fleisch verzichten, duschen statt baden, Licht ausmachen, Müll trennen – die etwas am Lauf der Dinge ändern. Diese Maßnahmen mögen sich wirtschaftlich lohnen, aber global gesehen sind sie lächerlich. Auf die enorme Diagnose vom Ende der Welt antworten die kümmerlichsten Rezepte.

Droht ein Totalitarismus der Ökologie?

Ja, in der Ökologie steckt eine totalitäre Versuchung. Sie schließt hier an Marxismus und Faschismus an. Denn wie diese greift sie ein in die intimsten Aspekte der Existenz: Nahrung, Heizung, Kleidung. Wie diese verurteilt sie unsere Lebensweise pauschal als verschwenderisch und ungerecht. Erinnern wir uns, dass die ersten Natur- und Tierschutzgesetze in Deutschland in den dreißiger Jahren durch den Nationalsozialismus erlassen wurden.

Das diskreditiert die Idee der Ökologie natürlich in keiner Weise – vorausgesetzt, das sie jederzeit durch demokratische Abstimmungsprozesse ergänzt wird. Die neue Ideologie der Askese, die in Europa immer mehr diskutiert wird, ist ein typisches Symptom reicher Bürgerkinder. Jener, die beschlossen haben, dass ihnen der Überfluss nicht mehr gefällt und darum die ganze Welt auf eine Diät aus Trockenbrot und Wasser setzen wollen. Sagen Sie das mal den Griechen, die die Gürtel immer enger schnallen müssen. Oder den Chinesen, die sich gerade aus der Armut befreien. Sie werden Ihnen ins Gesicht lachen.

Jahrgang 1948, ist ein französischer Publizist und Romancier. Bekannt wurde er 1977 mit „Die neue Liebesunordnung“. Sein neuestes Buch, „La Tyrannie de l’apocalypse“ ist eine polemische Streitschrift gegen die ökologische Ideologie.

Wäre es nicht fatal, wenn sich der westliche Hedonismus ausbreitet?

Nicht den Hedonismus müssen wir verdammen, sondern die rückhaltlose Verschwendung unserer Ressourcen. Hier liegt die schwierige Herausforderung für das kommende Jahrhundert: Nicht auf den Wohlstand verzichten und doch eine kohlenstoffarme Wirtschaft entwickeln. Wir müssen also das Recycling verstärken, intelligente Energien benutzen und überall intensive Forschung nach Energien betreiben, die die Umwelt nicht verschmutzen.

Aber wenn der westliche Lebensstil anderen Kulturen so gefällt, dann liegt es vielleicht daran, dass er den Sehnsüchten von Milliarden Menschen besser entspricht als andere, oder? Wir müssen also einen gewissen Wohlstand erhalten, ohne unsere Ressourcen zu erschöpfen. Es handelt sich um einen schmalen Grat, aber ich sehe keinen anderen Weg, es sei denn man predigt die Rezession, die Schrumpfung und einen neuen Pauperismus.

Mehr von Pascal Bruckner: „Wege aus dem Schlamassel“. Essay aus dem Perlentaucher vom 9. April 2012

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