Patientenverfügung: Der letzte Wille zählt

Mit dem "Lahrer Kodex" wollen Ärzte die Selbstbestimmung von Patienten stärken.

Autonomie des Patienten oder lebenserhaltende Fürsorge - die Ärzte sind verunsichert. Bild: ap

BERLIN taz Seit einem Urteil des Bundesgerichtshofs im Jahr 2003 steht grundsätzlich fest: Ärzte müssen sich an Patientenverfügungen halten - sonst machen sie sich wegen Körperverletzung strafbar. Immer wieder stehen sie allerdings vor der Entscheidung, was höher einzuschätzen ist - die Autonomie und Selbstbestimmung des Menschen oder aber die lebenserhaltende Fürsorge. In der Praxis herrscht so oft erhebliche Unsicherheit.

Ärzte führender deutscher Herzzentren haben sich jetzt mit dem "Lahrer Kodex" auf eine stärkere Verbindlichkeit von Patientenverfügungen geeinigt. "Mit dem Kodex möchten wir Patienten die Sicherheit geben, dass wir ihren Willen respektieren, auch wenn sie sich selbst nicht mehr äußern können", erklärte Initiator Tejas Alexander, Chefarzt am Herzzentrum Lahr/Baden. Eine Reichweitenbeschränkung, wonach schriftliche Anordnungen zum Behandlungsabbruch nur akzeptiert werden sollen, wenn der Krankheitsverlauf einen unumkehrbar tödlichen Verlauf genommen hat, lehnt der Kodex ab. Mit den Grundsätzen verpflichten sich die Mediziner zu palliativen Maßnahmen, auch wenn damit eine "ungewollte Verkürzung des Sterbens einhergehen könnte".

Mit dem "Lahrer Kodex" greifen die Ärzte in die seit Monaten äußerst heftig geführte Debatte um ein Patientenverfügungsgesetz ein. Die rund neun Millionen Patientenverfügungen sind für Ärzte derzeit nicht zwingend bindend. Inzwischen liegen im Bundestag äußerst konträre fraktionsübergreifende Anträge vor. Anhänger des Antrags von SPD-Rechtspolitiker Joachim Stünker wollen die Selbstbestimmung bis zum Lebensende gesetzlich festschreiben. Ärzte müssten folglich einem gewünschten Behandlungsabbruch nachkommen - unabhängig von der Art der Krankheit oder dem Stadium, in das sie eingetreten ist. Gegner dieses Vorschlags, wie Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach, plädieren hingegen für staatlichen Schutz des Lebens und eine Beschränkung des Patientenwillen.

Die Kodex-Initiatoren stellten klar, sie wollten ein Gesetz keineswegs entbehrlich machen. Einen "Paternalismus der Ärzte" wolle man aber mit allen Mitteln verhindern, sagte Till Müller-Heidelberg von der Humanistischen Union in Anspielung auf den Bosbach-Antrag. Unterstützt wird der Kodex unter anderem von der Heinrich-Boell-Stiftung, der ehemaligen Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) und der Schauspielerin Mariella Ahrens.

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