Pedro Páez über Krise und Kapitalismus: "Mehr Kriege zu befürchten"

Die Finanzkrise verstärkt die Ausbeutung der Armen – und das weltweit, so Ecuadors Exwirtschaftsminister Pedro Páez. Der Spekulations-Kapitalismus sei jedoch "nicht aufrechtzuerhalten".

Es wird die Armen treffen, überall – sagt Pedro Páez. Bild: kallejipp / photocase.com

taz: Herr Páez, wie wird sich die Finanzkrise auf unsere Zivilisation auswirken?

Pedro Páez: Wenn wir nicht gemeinsam handeln, wird uns dieses oligarchische Netzwerk von Spekulanten in mehr Kriege und mehr Spekulation verwickeln. Es wurde eine Situation geschaffen, wo die grundlegenden Mechanismen der Wirtschaft verzerrt worden sind. Dafür gibt es Beispiele noch und noch, etwa die Preisbildung auf internationaler Ebene. Sie korrespondiert nicht länger mit der Entwicklung der Produktionskosten, noch nicht einmal mit saisonbedingter Knappheit, weil sie Gegenstand von Spekulation geworden sind, einschließlich der Lebensmittel. Selbst bei reichlichen Ernten steigen die Preise.

Sie warnen vor der Gefahr, dass die Finanzoligarchen Europa und die USA lateinamerikanisieren und Lateinamerika afrikanisieren. Was meinen Sie damit?

Er war 2007 bis 2008 Ecuadors Wirtschaftsminister. Derzeit fungiert er als Vorsitzender der Kommission seines Landes für eine neue regionale Finanzarchitektur.

Die afrikanischen Staaten wurden nach der Dekolonisierung durch den Abbau von Institutionen sowie des sozialen und demokratischen Gefüges beschädigt, das hat transnationalen Unternehmen die Ausbeutung nationaler Rohstoffe zu sehr günstigen Bedingungen ermöglicht. Dazu gehören niedrige Löhne, kaum Steuern und wenig Umweltschutzauflagen. Politik dieser Art versuchen sie jetzt auch in ihren eigenen Ländern umzusetzen. Anstelle der früheren Teilung zwischen Metropolen und Kolonien kolonisieren sie jetzt in ihren eigenen Ländern.

Wie wirkt sich das aus?

Seit Beginn des Neoliberalismus ist eine Erosion des Wohlfahrtsstaates festzustellen. Sie befinden sich jetzt am Rande eines sehr schnellen Prozesses von Anpassungs- und Sparmaßnahmen, und das wird chronische Steuerdefizite zur Folge haben. Die Sparmaßnahmen sind eine Spirale mit einer Art eigenem Leben, zivilisatorische Errungenschaften der europäischen Völker sind in Gefahr. Alle Errungenschaften der Nachkriegszeit seit dem Sieg über den Faschismus stehen zur Disposition, einschließlich des Abbaus produktiver und technologischer Kapazitäten. Dies geschieht jetzt in Lateinamerika.

Welche Rolle spielen die Freihandelsabkommen, die Europa jetzt mit verschiedenen Entwicklungsländern abzuschließen versucht?

Wenn die Menschen in Europa die Texte kennen würden, die die Europäische Kommission jetzt verhandelt, wären sie empört, gleichgültig ob links oder rechts. Nehmen wir zum Beispiel das öffentliche Beschaffungswesen, also die Anschaffungen der Städte, Gemeinden und Regierungen, im Falle Lateinamerikas würde die Marktöffnung die bedingungslose Unterwerfung gegenüber transnationalen Unternehmen bedeuten.

Wie stabil ist der Kapitalismus?

Es ist unmöglich, den vom Finanzmarkt getriebenen Kapitalismus der Spekulation aufrechtzuerhalten. Sogar Großunternehmen sind durch die Logik der Spekulation versklavt. Wir müssten umgekehrt alle Formen der Kreativität freisetzen, neue Räume für Unternehmen und auch für mittlere und Kleinunternehmen und Kooperativen, wir müssten Quellen sozialer Energie schaffen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.