Peggy Parnass über die Schauspielerei: „Ich war immer filmgeil“

Peggy Parnass arbeitete als Gerichtsreporterin, Filmkritikerin und Schauspielerin. Nun widmet ihr das Hamburger Metropolis-Kino einen Filmabend.

Machte auch Erfahrungen mit Rainer Werner Fassbinder: Die Autorin und Schauspielerin Peggy Parnass. Bild: dpa

taz: Frau Parnass, bekannt wurden Sie durch ihre Gerichtsreportagen in der Zeitschrift Konkret. Sie haben sich aber auch immer für den Film interessiert. Man kann Sie in Nebenrollen in alten Fernsehserien wie „Das Kriminalmuseum“ entdecken und Sie haben mal als Filmkritikerin gearbeitet.

Peggy Parnass: Als ich in Schweden noch ganz jung war, habe ich in der kommunistischen Tageszeitung über Filme geschrieben und die rotzfrech alle runter gemacht. Ich fand das toll, mich zurückzulehnen und meinen Namen in der Zeitung zu lesen. Ich kriegte dafür zwar kein Geld, aber die Straßenbahnfahrt ins Kino und den freien Eintritt. Es gab nur einen Film, der mich damals beeindruckte und über den ich dann jubelte, und das war der Ballettfilm „Die roten Schuhe“. Alles andere hab ich verrissen. Aber dann hab ich bald begriffen, was für eine Idiotin ich war und wie viel Arbeit hinter jedem Film steckt. Von da ab habe ich nie wieder eine Kritik geschrieben, nicht über Filme, Bücher oder Bilder. Ich habe mich dann nur noch geäußert, wenn mir etwas gefallen hat.

Dafür haben Sie dann von 1965 an meist in Charakterrollen für das Fernsehen und das Kino gearbeitet. Wie ist es dazu gekommen?

Zuerst haben die Fernsehsender mich ja gar nicht spielen lassen, weil ich keine Schauspielausbildung hatte. Aber ich wollte große Rollen spielen und beschloss, eine Schauspielprüfung abzulegen. Die nächste Prüfung war in zwölf Tagen, eigentlich reiner Wahnsinn, aber ich kannte Margot Höpfner, die hatte eine Schauspielschule. Die hab ich dann gefragt, ob sie mir auf die Schnelle was zeigen könnte. Ich habe bei ihr Ausschnitte aus berühmten Rollen wie die Blanche aus „Endstation Sehnsucht“ einstudiert. Sie hat mich dann begleitet und behauptet, dass ich drei Jahre lang bei ihr gelernt hätte und ich habe ich die Prüfung bestanden.

Dann haben sie ab 1965 Nebenrollen in Fernsehproduktionen wie „Stahlnetz“ und „Dem Täter auf der Spur“ spielen dürfen?

79, geboren in Hamburg. Ihre Eltern wurden in Treblinka von den Nazis ermordet. Sie überlebte, weil sie mit einem Kindertransport nach Stockholm entkam. Bekannt wurde sie durch ihre Gerichtsreportagen und ihr Buch "Prozesse".

Das war ja belanglos, aber in den beiden Kurzfilmen „Zwei“ von Roland Klick und „Mauerblume im Ballhaus Paradox“ von Rudolf Lorenzen hab ich dann größere Rollen gespielt. 1976 wollte Fassbinder mit mir arbeiten. Wir haben auch eine Woche lang gedreht. Da spielten Leute mit, die mir gut gefielen, aber Fassbinder gefiel mir schnell nicht mehr.

Warum?

Er war ein Sadist. Nicht mir gegenüber, aber ich habe mich dann immer dazwischengeworfen, wenn er die Leute wie Dreck behandelte. Ich wusste ja nicht, dass die ihrerseits Masochisten waren und gar nicht dankbar dafür, dass ich mich einschaltete. Fassbinder hatte mir vorher ein Manuskript zu dem Film „Der Müll, die Stadt und der Tod“ gegeben. Er sagte, ich könne mir jede Rolle darin aussuchen, aber als ich das dann gelesen habe, war ich entsetzt, weil es sehr antisemitisch war. Die Hauptperson hieß nur „Der Jude“. Als ich sagte, was ich von dem Stoff halte, wurde ich rausgeschmissen. Statt mir haben sie dann Helen Vita genommen, und die hat dann nicht so tragisch wie ich gespielt, sondern komisch. Das wurde dann die Komödie mit dem Titel „Satansbraten“.

Zugleich als Gerichtsreporterin und als Schauspielerin zu arbeiten, ist doch ungewöhnlich. Gab es etwas, was beide verbunden hat?

Das Gericht ist ja auch Leben, Menschen. Und da bin ich immer näher herangegangen als andere. Filme, die mich interessieren, zeigen die Menschen auch aus so einer Nähe. Ich war immer filmgeil und wollte viel lieber da arbeiten. Aber das Schreiben nahm überhand. Ich habe 17 Jahre über Prozesse geschrieben und währenddessen das Schauspielen ganz vergessen. Ich war bei über 500 Prozessen, aber es gab nur drei Verfahren, die mit dem zu tun hatten, was ich ursprünglich beschreiben wollte: Das war der Majdanek-Prozess und der Prozess gegen Doktor Ludwig Hahn. Der war der oberste Gestapomann in Polen, verantwortlich für 280.000 Morde und natürlich auf freiem Fuß. Und schließlich das Verfahren um die Rehabilitierung von Fiete Schulz, den Widerstandskämpfer, der niemanden ermordet hat, aber geköpft wurde.

Über diese Thematik gibt es ja auch einen Film, an dem Sie mitgewirkt haben, und der den Titel „Von Richtern und anderen Sympathisanten“ trägt.

Das ist eine Dokumentation, die auf meiner Gerichtsarbeit basiert. Ich führe dabei als Erzählerin durch den Film. Der Regisseur Axel Engstfeld hat dafür den Bundesfilmpreis bekommen.

Ist das Kino für Sie eine Art von Flucht vor sich selber?

Aber das Schreiben ist doch auch eine Flucht. Da tauche ich von mir selber weg in andere Menschen hinein. Ich war ja nie ein distanzierte Reporterin, sondern richtig drin in dem anderen.

Aber es gibt doch auch autobiografische Texte von Ihnen.

Wenn ich über mich schreibe, ist es genauso intim, aber das waren immer Texte, die andere von mir erbeten haben. Das ging nie von mir aus. Die habe ich immer zuerst für Anthologien geschrieben. Und wenn ich dann genügend von diesen kleinen Texten hatte, war das wieder ein eigenes Buch. Einer von diesen Texten mit dem Titel „Kindheit – Wie unsere Mutter uns vor den Nazis rettete“ wird in diesem Herbst wieder neu aufgelegt.

Könnten Sie sich vorstellen, dass mal ein Film über Ihr Leben gemacht würde?

Wenn das realistisch gemacht und nicht rumgealbert wird, wäre ich damit einverstanden. Aber wer würde heute solch einen Film machen?

Filmabend mit Peggy Parnass und den Filmen „Zwei“ und „Mauerblume im Ballhaus Paradox“: 6. 9., 19 Uhr; „Deutschland bleiche Mutter“: 6. 9., 21.15 Uhr, Metropolis, Hamburg
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