Peinliche Datenpanne: Opferrente wird doch nicht versteuert

Dass sie rückwirkend Steuern für ihre Zwangsarbeiterrente zahlen sollten, hatte viele Belgier empört. Nun rudern die deutschen Behörden zurück.

In den Datenbanken wurde offenbar nicht vermerkt, wer eine Zwangsarbeiterrente bekommt. Bild: kallejipp / photocase.com

BRÜSSEL taz | Die ehemaligen Zwangsarbeiter und ihre Witwen in Belgien, die in den vergangenen Monaten Steuerbescheide aus Deutschland erhalten haben, müssen aller Voraussicht nach doch keine Steuern auf ihre Renten bezahlen. Der Bundesrat will am Freitag ein entsprechendes Gesetz verabschieden, dem der Bundestag bereits Ende Oktober zugestimmt hat. Das teilte am Montag das Finanzministerium mit. "Damit wird das Problem nicht mehr existieren", sagte der Ministeriumssprecher Martin Kotthaus in Berlin.

In Belgien hatten die Steuerbescheide für Empörung gesorgt. Mehrere Hundert Personen hatten vom Finanzministerium in Schwerin die Aufforderung erhalten, rückwirkend seit 2005 ihre Rente zu versteuern, die sie für ihre Arbeit in Ghettos während der Herrschaft der Nationalsozialisten erhalten. Für einige geht es dabei um mehrere hundert Euro. Grundlage für diese Besteuerung ist die Änderung des deutschen Einkommensteuersystems von 2005. Seitdem sind Rentner grundsätzlich steuerpflichtig. Das gilt auch für die Empfänger deutscher Leistungen im Ausland.

Nach der Änderung des Gesetzes am Freitag sollen all jene, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz als "Verfolgte" gelten, von der Regelung ausgenommen werden. Dazu gehören Personen, die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft "verfolgt worden sind" oder denen "Unrecht geschehen ist". Der Sprecher des für die Auslandsrenten zuständigen Finanzministeriums in Schwerin, Stephan Bliemel, bezweifelt aber, dass darunter automatisch alle Zwangs- und Ghettoarbeiter fallen werden. "Das prüft letztendlich der Rentenversicherungsträger im Einzelfall. Wir führen das lediglich aus."

Bescheide nicht in 120 Sprachen übersetzen

Offenbar gibt es bereits seit Monaten eine Anweisung vom Bundesfinanzministerium, den Ghettoarbeitern keine Steuerbescheide zuzustellen. Dass dies dennoch geschehen ist, ist wohl auf ein Problem im Datenabgleich zurückzuführen. "Wir können hier nicht sehen, aus welchen Gründen jemand seine Rente erhält. Wenn in unseren Datenbanken nicht vermerkt wird, dass jemand zu der Gruppe der Verfolgten gehört, können wir das nicht nachvollziehen", sagt Bliemel. Ärgerlich ist das allemal, da die Betroffenen mit den Bescheiden an eine für sie besonders schmerzhafte Zeit erinnert werden.

Dass sich die betroffenen Belgier von den Briefen in deutscher Amtssprache beleidigt fühlen, kann der Ministeriumssprecher nachvollziehen. "Aber wir können unsere Bescheide nicht in 120 Weltsprachen übersetzen." In den Briefen habe es einen Hinweis auf eine mehrsprachige Internetseite gegeben.

Den ehemaligen Zwangsarbeitern oder deren Witwen, die meist über 80 Jahre alt sind, bleibt nun wohl nichts anders übrig, als sich bei der deutschen Steuerbehörde über den Bescheid zu beschweren und mitzuteilen, dass die Rentenzahlungen aus der Zeit des Nationalsozialismus stammen. Dann haben sie gute Chancen, dass ihnen die Steuern erlassen werden.

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