Pelicot-Prozess nach Berufung: Zehn Jahre für Hussamettin D.
Der Pelicot-Prozess ging in eine neue Runde, als einer der Täter Berufung einlegte. Nun wurde er in Nîmes zu zehn Jahren Haft verurteilt.

Er habe keine Verantwortung für sein Handeln übernommen. So lautete die Begründung der Staatsanwaltschaft dafür, dass sie erneut zwölf Jahre Haft für Hussamettin D. forderte – obwohl in erster Instanz nur neun Jahre verhängt worden waren. Zehn Jahre, also ein Jahr mehr, bekommt der Vergewaltiger von Gisèle Pelicot in zweiter Instanz, entschied ein Berufungsgericht am Donnerstag, dem 9. Oktober.
Nach der ersten Urteilsverkündung im Dezember vergangenen Jahres hatte Hussamettin D. als einziger von 51 Angeklagten Berufung eingelegt. Die Staatsanwaltschaft hatte ursprünglich zwölf Jahre Haft für den 44-Jährigen gefordert, zu neun Jahren Haft war er in erster Instanz schließlich verurteilt worden.
Alle 51 Männer, darunter auch Gisèles Ex-Mann, Dominique Pelicot, wurden 2024 in Avignon schuldig gesprochen, die meisten wegen Vergewaltigung. 20 Jahre Höchststrafe bekam der Haupttäter, Dominique, der seine Frau von 2011 bis 2020 immer wieder mit Schmerzmitteln betäubte, zur Vergewaltigung anbot und die hundertfachen Vergewaltigungen durch die mindestens 50 anderen Mittäter orchestrierte und filmte.
Einer dieser Männer ist Hussamettin D., verheiratet, mit Kind. Er bestand darauf, Gisèle Pelicot nie vergewaltigt zu haben. Ihm sei nicht klar gewesen, dass sie von ihrem Ex-Mann betäubt worden war. Vielmehr sei er der Überzeugung gewesen, lediglich an einer Fantasie des Paares teilgenommen zu haben.
Beweis für Vergewaltigungskultur
Dominique Pelicot hatte D. zuvor auf der Chatplattform coco.fr – mittlerweile ist die Seite offline, weil sie zu viele Kriminalfälle ermöglichte – in einem eigenen Forum, das „Ohne ihr Wissen“ hieß, ausfindig gemacht, ihn zu sich nach Mazan eingeladen, um Pelicot gemeinsam zu vergewaltigen.
D. gab an, das Haus nach 30 Minuten verlassen zu haben, weil er merkte, dass etwas mit Gisèle Pelicot nicht stimmte. Die im Prozess zentralen Videoaufnahmen bewiesen allerdings, dass er sich über mehrere Stunden im Haus der Pelicots aufhielt und die betäubte Frau mehrfach vergewaltigte – ihr Schnarchen sei in den Videos klar zu hören, so der Staatsanwalt. Dominique Pelicot sagte zudem erneut aus, dass er Hussamettin D. darüber aufgeklärt habe, dass Gisèle Pelicot betäubt sei.
Die Jury hat Hussamettin D. nun erneut für schuldig befunden und zu zehn Jahren Haft verurteilt. Dass er überhaupt Berufung eingelegt hatte, sei für den Staatsanwalt ein Beweis dafür gewesene, wie tief Vergewaltigungskultur in Männern wie D. verankert sei. Hussamettin D. erhält jetzt ein Jahr mehr als vor der Berufung, was im Einklang mit der Einschätzung des Staatsanwalts steht.
Kein Kontakt mehr zur Tochter
Im Februar sollen Gisèle Pelicots Memoiren mit dem Titel „Eine Hyme auf das Leben“ erscheinen. Der Prozess im vergangenen Jahr hat weltweit für Aufsehen gesorgt und die heute 72-Jährige zu einem Vorbild der feministischen Bewegung gemacht.
Es war ihre Entscheidung, den Prozess nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden zu lassen. Ihre 2024 ausgesprochene Forderung, dass die Scham die Seite wechseln müsse, wiederholte sie im Gerichtssaal und nannte Hussamettin D. als Beweis dafür, dass das noch nicht eingetroffen sei.
Caroline Darian, die Tocher von Gisèle und Dominique, gilt als Vergessene im gesamten Prozess. Auch von ihr wurden Nacktbilder auf dem Rechner des Vaters gefunden, auf denen sie vermutlich betäubt ist. Als Darian öffentlich machte, dass sie glaubt, ebenfalls Opfer ihres Vaters zu sein, habe ihre Mutter ihr nicht geglaubt und gesagt, dass der Vater „zu so etwas nicht in der Lage sei“. In einem Interview mit The Telegraph sagte Darian, dass sie ihrer Mutter das nicht verzeihen könne. Heute haben sie keinen Kontakt mehr.
Auch in der Familie hat der Prozess also Narben hinterlassen. Für Gisèle Pelicot bleibt zu hoffen, dass sie diesmal zum letzten Mal vor Gericht erscheinen muss, um über die von ihrem Ex-Mann organisierten Vergewaltigungen auszusagen.
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