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Personalrochade bei der Berliner ZeitungFrieden, Feinde, AfD

Im Krawallspektrum des Journalismus wird erneut viel Personal gewechselt: Bei der Berliner Zeitung gibt es wieder eine neue Chefredaktion. Was steckt dahinter?

Berliner Tageszeitung: Geht es in Richtung Faschismus oder nur darum, das vorhandene Polarisierungspotenzial businessmäßig zu verwerten? Foto: Sophia Kembowski/dpa

Zumindest in der Aufmerksamkeitsökonomie boomt das Geschäft des Verlags“, hat die taz zuletzt über die Berliner Zeitung und ihren Verleger Holger Friedrich geschrieben. Nun ist schon wieder was los: Laut Pressemitteilung des Berliner Verlags übernimmt zum 1. November 2025 Philippe Debionne die Chefredaktion.

Er war zuletzt Chefredakteur von Nordkurier und Schweriner Volkszeitung. Die gehören zum Schwäbischen Verlag, der auch die Schwäbische Zeitung herausbringt, ein christlich-konservatives Blatt, das sich zuletzt, wie auch in der taz zu lesen war, „einen Ruck zu rechtspopulistischen Inhalten“ verordnet hat.

Im Nordkurier erschienen während der Coronapandemie immer wieder Texte, die wohlwollend mit der Querdenkenbewegung umgingen. Debionne war dort Chefredakteur seit September 2024.

Aus der „deutschen Spitzenpolitik“ hörte er zuletzt eine „wirklich brandgefährliche Kriegspropaganda“. Wir hören derweil die Sirenen über Kyjiw.

Die Personalringelreihen im vor sich hin mosernden Medienspektrum lassen sich fortsetzen. Bei Springers Welt „verstärkt“ seit August Fatina Keilani das von „Forum“ in „Meinungsfreiheit“ umbenannte Meinungsressort.

Zuletzt schrieb sie einen Beitrag mit dem Titel „AfD zu wählen, ist in diesem Kontext einwandfrei demokratisches Verhalten“ (der Kontext ist das demokratische System der Bundesrepublik Deutschland).

Und der von der Jungen Freiheit und dem russischen Propagandasender RT bekannte Thomas Fasbender wechselt schon wieder aus seiner Rolle als Herausgeber der zum Berliner Verlag gehörenden Weltbühne zurück zur Berliner Zeitung.

Was wollen die Konservativen?

So ganz können wir schließlich in diesem Zusammenhang auch die Zeit nicht aussparen, die zuletzt „riesig groß den Rechtsruck der Linken in die Schuhe“ schob, wie Kollege Dirk Knipphals ausführte und fragte: „Wo sind eigentlich die redlichen Konservativen, die geschnallt haben, dass die AfD auch sie angreift? Hier nicht.“

Wenn die Konservativen nicht mehr konservativ sein wollen – was dann? Wollen sie tatsächlich die Disruption, also die „radikale Umwälzung oder Veränderung bisheriger Verhältnisse“, wie der Soziologe Steffen Mau schrieb?

Und was bedeutet es für den republikanischen Rest, wenn schwerreiche Verlagshäuser wie die von Friedrich, wie Springer und Holtz­brinck auf den autoritären Befreiungsschlag setzen und sich dafür eben schreibendes Humankapital an Bord holen – zumindest solange die KI noch nicht gemein genug ist?

Geht es in Richtung Faschismus oder nur darum, das vorhandene Polarisierungspotenzial businessmäßig zu verwerten?

Mit seinen hektischen Personalrochaden erinnert der Un­zu­frieden­heits­jour­nalismus von oben jedenfalls an ein hyperventilierendes Gym, in dem gepumpt und gedopt wird, bis jemand sagt, wisst ihr was, das ist mir hier zu blöd: Es gibt eine wirkliche Welt, die ist schwierig und schön, brutal und faszinierend, lebens- und erzählenswert.

Und wenn die Krawallgeschwister dann im eigenen Saft schmoren, bleibt vielleicht schneller als gedacht nicht mehr übrig als eine bittere Einbrenne, für die niemand auch nur einen Euro übrig hat.

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