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Personenführung #189: Klaus „Hilli“ Hillenbrand Umsichtig und mit Haltung

Der langjährige Seite-1-Redakteur und Ressortleiter von tazeins geht in Rente. Er bleibt der taz als Autor erhalten.

Klaus Hillenbrand am großen Konferenztisch der taz in der Weddinger Wattstrasse, Oktober 1988 Katharina Eglau/taz

Von JAN FEDDERSEN

taz Info, 26.01.23 | Es ist nicht so leicht, seinen besondersten Vorzug zu nennen, denn er hat ja so viele: Klaus Hillenbrand, 1957 geboren, aufgewachsen in Wesseling bei Köln, quasi in Nachbarschaft zur Wunder­hoch­sprung­olym­pia­sie­gerin von 1972, Ulrike Mey­farth, ist seit vielen Jahren Ressortleiter von tazeins, war davor Chef vom Dienst, also der Nachrichtenbeobachter-und-danach-Themen-Verteiler.

Er hat, vor allem zu Themen des Nationalsozialismus, zur deutschen Vergangenheitspolitik, zu Israel und zum Holocaust (und seiner Relativierung durch viele Linke) eine Fülle von famosen Texten verfasst.

Und doch: Seine Meisterstücke liefert er an Wahltagen. Dann ist er wieder CvD – der Koordinator unseres Journalismus, je nach Aktualität und Wichtigkeit einer Meldung. An solchen Tagen, mit einer planerischen Vorlaufzeit von oft vielen Tagen, muss er, im Hinblick auf Redaktionsschlüsse und Andruckzeiten, alles im Blick behalten.

Ich-habe-wirklich-alles-im-Griff-Wolldecke wird ausgepackt

Manche würden in so einer Funktion zu einer gewissen Nervosität bis hin zur heißlaufenden Hysterie neigen, nicht Kollege „Hilli“: Er scheint den ganzen Wahltag über alle Unruhe ob der verschiedenen Formate und Zeitvorgaben mit einer Art Ich-habe-wirklich-alles-im-Griff-Wolldecke zu ersticken, mit ihm wächst sich kein Aktualitätsfieber zu einem heißen Brand aus.

Seine Kunst, seine Kompetenz liegt in der niemals zittrig scheinenden Umsicht. Das hat er nun hinter sich, die jüngste Landtagswahl, es war die in ­Niedersachsen, liegt schon zurück – und die nächste wird die zum Berliner Abgeordnetenhaus sein.

Dann ist er allerdings schon im sogenannten Ruhestand und weiß, so sagt er, dass „andere es ebenso gut machen werden, mit anderem Stil vielleicht, aber niemand ist unersetzlich“.

Viel gelernt, schlecht bezahlt

In den Achtzigern erst, lange nach der Urgründung der taz, kam er zu uns ins Haus, noch in die Wattstraße, dann in die Rudi-Dutschke-Straße, nun an der schicken Friedrichstraße 21. Wie die taz damals war?

Er selbst bot als freier Journalist Texte zu Zypern an, wurde schließlich angeheuert, um auf Anhieb Asienredakteur zu werden: „Ich war bis dahin noch kein einziges Mal in Asien – musste mich ins Thema echt einfuchsen.“

So sagt es der frühere Politikstudent: „Unglaublich war alles, nicht nur aus heutiger Sicht. Chaotisch, aufreibend, Tag und Nacht debattierend und zerstritten und gerade deshalb spannend, nervenaufreibend.“ Könnte er diese, abgesehen von seinen Büchern, taz-Biografie über alle Berufsjahre in einen Satz packen: „Ich habe viel gelernt und wurde wahnsinnig schlecht bezahlt.“

Beruf mit Haltung

Er kam nicht aus der linksradikal-bürgerlichen Ecke, er wollte einen echten Beruf ­ausüben, mit Haltung, aber nicht mit gehetzter Gesinnung: Das war eventuell auch die beste Versicherung, in einem Zeitungshaus ohne ­seelische Dauerbeschädigung über die ­Runden zu kommen.

Ihm ist kein seliger Blick ins Gestern gegeben, er weiß um die Vorzüge, ­inzwischen zu einem etablierten Medienhaus zu ­­gehören: „Es war ein ziemlich schmud­deliger Laden. Kein vernünftiges Essen, von ein­er Kantine ganz zu schweigen. Alle glaubten, ­alles ­sagen zu können, aber tatsächlich waren die ­informellen Hierarchien sehr stark ausgeprägt. Aber doch sehr nette Leute, zumindest meist.“

Mehr als nur ein bisschen bleibt er uns jedoch erhalten, nämlich als Autor seiner vorzüglichen, historisch immer informierten Reportagen, Essays und Kommentare. Ihm Glück zu wünschen, ist zu wenig: Masel tov, worüber er auch immer noch berichten wird.