Pferdesteuer in Schleswig-Holstein: Tangstedt gegen Jamaika-Zügel

Die Gemeinde Tangstedt beschließt eine Pferdesteuer. Der Koalitionsvertrag schließt eine Besteuerung von Sportarten aber aus – nun wollen Reiterinnen klagen

Viele Pferdemädchen sind traurig: Ihre Eltern müssen jetzt noch mehr bezahlen Foto: Christina Sabrowsky/dpa

Am späten Nachmittag füllt sich die Wiese vor der Turnhalle der Tangstedter Grundschule. Hunderte ReiterInnen ohne Pferde tragen Banner und Plakate mit Aufschriften wie: „Sport-Steuer Nein Danke!“ oder „Nein zur Pferdesteuer“. Mittendrin Anja Granlien, Reitlehrerin und Organisatorin der Proteste gegen die Pferdesteuer.

In der Turnhalle wird an diesem Mittwochabend die Entscheidung gefällt. Die Gemeinde Tangstedt führt die Pferdesteuer ein. Ab Juli müssen HalterInnen jährlich 150 Euro pro Pferd an die Gemeinde zahlen. Sonst droht eine Strafe von bis zu 5.000 Euro. Damit ist Tangstedt die erste Gemeinde in Schleswig-Holstein mit einer Steuer auf Pferde. Und bundesweit eine von vier, neben dreien in Hessen. Anja Granlien ist entsetzt: „Für mich und meinen Mann bedeutet die Steuer Existenzängste.“ Ihre Kunden hätten bereits angedeutet, dass sie ihre Tiere bei Einführung der Steuer in einer Nachbargemeinde unterbringen werden.

In der Turnhalle, wo viele der DemonstrantInnen von draußen Platz gefunden haben, ist die Stimmung aufgeheizt. Es gibt ein wildes Hin und Her zwischen Befürwortern und Gegnern der Pferdesteuer. Immer wieder gibt es Applaus, spricht sich ein Abgeordneter dagegen aus. Mehrfach sieht sich der Bürgermeister gezwungen, die ReiterInnen zu ermahnen.

Mit zehn zu sieben Stimmen und einer Enthaltung – von Bürgermeister Norman Hübener – wird die Steuer beschlossen. Damit trotzt die Gemeinde der neu gewählten Jamaika-Koalition, die sich die Förderung von Sport zum Ziel gesetzt hat. Im vorläufigen Vertrag der neuen Landesregierung wird „die Erhebung von Steuern auf Sportarten (beispielsweise Reitsport) ausgeschlossen“. Und erst kürzlich sagt Schleswig-Holstein einen Zuschuss von sieben Millionen Euro für den Stadion-Umbau des Fußball-Zweitligisten KSV Holstein Kiel zu, woran auch die neue Regierung festhalten will.

In den 90er-Jahren versucht die Tangstedter SPD eine Pferdesteuer einzuführen und scheitert.

Im Juni 2016 stimmt die Gemeinde dafür, eine Pferdesteuer einzuführen, und beauftragt den Finanzausschuss damit, Pläne zu machen.

Im November 2016 will die Gemeinde abstimmen, doch Bürgermeister Norman Hübener vertagt das Thema und will vorerst die Rechtmäßigkeit der Steuer prüfen lassen.

Ab dem 1. Juli 2017 soll die Pferdesteuer gelten und dann kostet ein Pferd 150 Euro Steuern im Jahr. SteuergegnerInnen kündigen Normenkontrollklage an.

Während der „Männersport“ Fußball gefördert wird, sollen ReiterInnen zahlen, kritisieren GegnerInnen. Die Pferdesteuer sei frauenfeindlich. Der Frauenanteil im Tangstedter Reitsport betrage 91 Prozent, bestätigt Granlien. Das sei eine „unsinnige Behauptung“, sagt Lothar Metz (SPD). Für ihn steht fest, dass die ReiterInnen von der „idyllischen Lage“ der Stadt profitierten, aber nicht zum Haushalt beitrügen. Tangstedt stünde aber finanziell schlecht da.

Arne Müssig (CDU) entgegnet, dass die Gemeinde schlecht gewirtschaftet habe und die Schulden erst seit dem Regierungswechsel vorlägen. Tang­stedt ist mit 3,14 Millionen Euro verschuldet. Die neue Steuer soll etwas Geld in die Kassen spülen. Bei etwa 700 Tieren und 150 Euro pro Jahr erwartet die Gemeinde jährliche Einnahmen von 75.000 bis 100.000 Euro.

Dagegen hält Müssig, dass die Einführung der Steuer mit einem erheblichem Aufwand verbunden sei. Die derzeit dafür angedachten 6.000 Euro seien unrealistisch, sagt der Vorsitzende der CDU-Fraktion Tangstedt. Den unnötigen Verwaltungsaufwand solle sich die Gemeinde aus seiner Sicht besser sparen. Wenn der Vertrag der Regierungskoalition in Kraft tritt, könnte die Pferdesteuer eventuell ohnehin wieder gekippt werden.

Trotzdem kommen zunächst auf PferdehalterInnen neue Kosten zu. Anja Granlien besitz sechs Pferde, das macht im Jahr 900 Euro der neuen Steuer. Hinzu kommen ungefähr 800 Euro, die ReiterInnen monatlich für Stall, Futter und Unterricht zahlen, plus Zusatzkosten für den Tierarzt und die Haftpflichtversicherung. Dass weder Proteste noch der Koalitionsvertrag die Entscheidung verhindern konnten, kann Anja Granlien nicht verstehen: „Die machen sich total lächerlich.“

Eine Rechtsanwaltkanzelei in Hamburg bestätigte, dass eine Normenkontrollklage gegen die Rechtmäßigkeit der Pferdesteuer-Satzung vor dem Oberverwaltungsgericht Schleswig vorbereitet werde. Reiterinnen aus Tangstedt hätten den Auftrag erteilt. Die Klage könne erst eingereicht werden, wenn die Satzung vorliege.

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