Pflanzenanbau und Fischzucht: Tomate trinkt gerne Fischwasser

Die wachsende Erdbevölkerung mit Fisch und Gemüse zu versorgen ist ein schwieriges Unterfangen. Eine Lösung könnte Aquaponik sein.

Satt wird man so nicht: Ein einsamer Barsch. Bild: picture alliance

Das Teil sieht unscheinbar aus. Ein kleiner Messinghahn, der im Baumarkt nicht mehr als 20 Euro kostet. Doch ohne dieses Einwegventil würde die Idee nicht funktionieren, die unsere Art der Ernährung schon bald revolutionieren könnte. Die Rede ist von Aquaponik – der Kombination von Pflanzenanbau und Fischzucht.

Das Prinzip ist so einfach wie genial: Das Abwasser der Fische düngt die Pflanzen im Gewächshaus. Und die filtern ihrerseits das Wasser und wandeln das von den Fischen abgegebene Kohlenstoffdioxid wieder in Sauerstoff um. Auch Wärme und Strom ließe sich doppelt nutzen, ein scheint’s perfekter Kreislauf.

Und der könnte ein Weltproblem lösen helfen: Die Erdbevölkerung wächst bis 2050 auf 9 Milliarden, schätzen die UN. Auch deshalb werden die Weltmeere leer gefischt. Und auch Dünger wie Phosphat werden knapp.

Snowdenleaks könnte für Internetaktivisten sein, was Tschernobyl für die Atomkraftgegner war. Aber schafft es die Netzbewegung, diese Chance zu nutzen? Die große Geschichte „Was tun! Aber was?“ lesen Sie in der taz.am wochenende vom 17./18. August 2013. Darin außerdem: Ein Gespräch mit dem politischen Kabarettisten Georg Schramm, eine Reportage über Frauen im Kosovo, die nach dem Krieg neues Selbstbewusstsein entwickeln. Und der sonntaz-Streit zur Frage: Macht Taschengeld Kinder zu Materialisten? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Werner Kloas öffnet die Tür eines Gewächshauses am Berliner Müggelsee und taucht in feuchtwarme Luft. In den Bottichen, die in drei Reihen angeordnet sind, schwimmen Tilapien, afrikanische Buntbarsche. Daneben wachsen Tomaten in Blumenkästen, Pumpen wummern. Kloas, Leiter der Abteilung Ökophysiologie und Aquakultur des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei, marschiert über Eisengitter, an Eimern, Keschern und Plastikrohren vorbei.

Nahezu emissionsfrei

„Die Integration von Fischzucht und Pflanzenanbau bietet sich wunderbar an“, sagt der Mann im North-Face-Pulli. „Das ist eine nahezu emissionsfreie Produktion.“

Vor fünf Jahren hatte Kloas alle Institutsmitarbeiter zum Kaffee versammelt, die mit Aquakultur zu tun hatten, also der kontrollierten Fischzucht. „Warum kommt die Aquakultur in Deutschland nicht auf Zack?“, fragte er damals in die Runde. „Was wäre eine nachhaltige Lösung?“ Als sein Kollege Bernhard Rennert davon erzählte, wie er in Großbeeren noch zu DDR-Zeiten Gurken anbaute und Karpfen züchtete, wusste Kloas die Lösung. Er schlug vor, Fischzucht und Pflanzenanbau im geschlossenen Gewächshaus zu kombinieren, um Wärme und CO2 doppelt zu nutzen.

Aquaponik hat eine lange Tradition: In Vietnam und Thailand züchten Bauern Fische in Reisfeldern, wo sie bis zur Wade im Wasser stehen. In den USA stellen sich Tüftler Fischbottiche in Hinterhöfe und lassen Salatpflanzen in den Wasserrinnen wurzeln. Und auf der Ilha de Tinharé im Nordosten Brasiliens versucht ein früherer Aquaponikstudent die dortige Fischereikrise zu lösen, indem er Aquaponik einführt.

Kloas Weg ist dennoch neu: Das System ist geschlossen, der Nährstofffluss wird kontrolliert – und ein Einwegventil verbaut. Das Problem: Fische benötigen einen pH-Wert von 7, Pflanzen einen von 6. Deswegen hat der Endokrinologieprofessor an der Humboldt-Uni in Berlin aus einem Kreislauf zwei gemacht. Und über das Einwegventil ein Filterbecken in der Mitte zwischengeschaltet, wo sich der pH-Wert steuern lässt.

Die Tomate reist 28 Tage

Das Berliner Start-up-Unternehmen Efficient City Farming will das System nun vermarkten, als Lifestyleprodukt. Etwa für Parkplatzdächer von Supermärkten, wo die Kunden direkt vor Ort ihren Salat und Fisch kaufen können. „Die Durchschnittstomate ist 28 Tage unterwegs, das ist totaler Schwachsinn“, sagt Nicolas Leschke, einer der Unternehmer.

Werner Kloas denkt in eine andere Richtung: In Südländern, wo Wasser knapp und die Infrastruktur schlecht ist, böte sich Aquaponik an. Eine automatisierte Anlage wie die seine sei dabei gar nicht nötig: Es genügten schon drei Regentonnen, ein Hirsefeld, zwei Pumpen und ein Verbindungsrohr. Und Fische ließen sich in Kiestanks nachzüchten. Ganze Dörfer könnten sich so autark ernähren und auf teuren Dünger verzichten. Aquaponik als Entwicklungshilfe.

Aber auch in Deutschland, ist Kloas überzeugt, werde sich Aquaponik durchsetzen. Mit dem Boom der Biogasanlagen entstünden auch immer mehr Gewächshäuser, da sie die Abwärme der Biogasanlagen nutzen können. „Noch schicker“ wäre es, sagt Kloas, wenn man eine Fischzucht anschlösse und so die Pflanzen selbst düngen könne.

Leschke setzt auf die Stadt, Kloas auf das Land oder die Peripherie von Städten. Stadtwerke etwa hätten schon angefragt. Derzeit bewirbt sich Kloas im Rahmen eines EU-Projekts um den Bau einer 600-Quadratmeter-Pilotanlage, die stärker automatisiert ablaufen soll.

Um den Durchbruch am Markt zu schaffen, muss laut Kloas ein Hindernis noch abgebaut werden: die „Berührungsängste“ zwischen Pflanzenbauern und Fischzüchtern. Nur wenige würden die Grenzen ihres Fachs überschreiten. „Und wer hat schon 10 Millionen Euro locker, um eine Aquaponikanlage aufzubauen?“, fragt Kloas. Um die Hemmschwelle abzubauen will die Gärtnerische Fakultät im nächsten Jahr ein Lehrmodul „Aquakultur und Gartenbau“ einführen.

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