Philippinen ein Jahr nach dem Taifun: Ohne Umdenken keine Perspektive

3,9 Milliarden US-Dollar stehen für den Wiederaufbau der Regionen bereit, die „Haiyan“ zerstörte. Eine sinnvolle Vorsorge wäre aber am wichtigsten.

Lichtschiffchen für die Opfer des Unglücks, 08.11.2014 bei Tacloban. Bild: ap

Erst vor wenigen Tagen hat Präsident Benigno „Ninoy“ Aquino seine Unterschrift unter ein Dokument gesetzt, das für Millionen Philippiner von existenzieller Bedeutung sein könnte. In dem 8.000 Seiten starken Masterplan sind 25.000 Projekte beschrieben, die die vor einem Jahr von Wirbelsturm „Haiyan“ zerstörten Gebiete der Philippinen wiederaufbauen sollen. Kostenpunkt: 3,9 Milliarden US-Dollar.

Das klingt vielversprechend. Aber reicht es? Und hat die Katastrophe, die mindestens 7.000 Menschen das Leben kostete und vier Millionen all ihre Habe raubte, die Politik auch so weit aufgerüttelt, dass sie ausreichend Geld, Ressourcen und Know-how einsetzt, um eine ähnliche Tragödie in Zukunft zu vermeiden?

Experten der internationalen Entwicklungsorganisation Oxfam verneinen das. „Viele Staaten in Asien müssen mehr in die Katastrophenvorsorge investieren, um der Anfälligkeit der Region für die Auswirkungen des Klimawandels gerecht zu werden“, schreiben sie in ihrem Bericht „Can’t Afford to Wait“. Laut der Asiatischen Entwicklungsbank könnten wirtschaftliche Schäden durch Extremwetter die Erfolge bei der Armutsbekämpfung zunichtemachen.

In den von „Haiyan“ heimgesuchten Gebieten ist dieses Szenario bereits Wirklichkeit. Schon vor dem Taifun gehörten die Inseln Samar, Panay und Leyte zu den ärmsten des philippinischen Archipels. Danach hatten Fischer keine Boote mehr, Farmer kein Saatgut, Familien keine Bleibe. „Wir hatten nie viel, aber es hat immerhin gereicht, um unsere Kinder satt zu bekommen. Nach dem Sturm hatten wir nur noch, was wir auf dem Leib trugen“, sagt Maria Valdez. Ihre vielköpfige Familie muss heute zwar nicht mehr in einem gespendeten Zelt leben, sondern wohnt in einem kleinen aus Trümmern zusammengenagelten Häuschen. Aber Perspektiven fehlen: „Welche Zukunft haben wir denn?“, fragt die 43-jährige Philippinerin.

Eine Sisyphusarbeit

Um eine erträgliche Gegenwart und eine bessere Zukunft für die Sturmopfer geht es den Helfern des Netzwerkes Philippine-Misereor-Partnership (PMPI). Auf den kleinen Inseln Homonhon und Manicani haben sie Boote und Saatgut ausgegeben. „Aber wir müssen langfristig denken und die Leute dazu erziehen, dass sie sich auf den nächsten Notfall vorbereiten“, sagt PMPI-Mitarbeiterin Melody Asia. „Sie müssen Vorräte anlegen und Evakuierungszentren bauen.“

Erziehung ist ein gern benutztes Wort, wenn es um Wiederaufbau geht: Neue Häuser müssten stabiler und an sicheren Stellen errichtet werden – aber wie bringt man einem Fischer bei, sein Haus nicht dicht am Meer zu bauen? Entsprechend werden die Siedlungsverbote allerorten einfach ignoriert. „Die Leute fürchten eben, dass ihre neuen Boote geklaut werden, wenn sie sie unbeaufsichtigt lassen“, erklärt Asia.

Es ist eine Sisyphusarbeit, die die 44-Jährige und ihre Mitarbeiter verrichten. Aber es gibt auch Erfolgsmomente. Auf Manicani hat ein Bergbauunternehmen, das seit Jahren gegen den heftigen Protest von Anwohnern Nickel und Chromeisenstein abbauen will, die verzweifelte Lage nach dem Taifun nutzen wollen. „Sie haben den Kindern Stipendien gegeben und Unterkünfte finanziert, weil sie dachten, damit die Leute in ihre Richtung beeinflussen zu können“, so Asia. „Aber all die gefällten Bäume und erodierten Hänge lassen sich durch ein wenig Geld nicht wegzaubern. Der Widerstand gegen den Abbau steht.“

Die Herausforderungen beim Wiederaufbau der Taifunregion sieht sie indes nüchtern: „Das ist ein Marathon, und wir sind gerade erst an der 10-Kilometer-Marke.“

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