Pilot-Urteil im Diesel-Skandal: Neuwagen statt Software-Update

Käufer von VW-Diesel-PKW mit der verbotenen Abgas-Betrugs-Software konnten ein fabrikneues Modell verlangen. So urteilte nun ein Gericht.

Schwarz-Weiße Innenansicht eines Diesel-Motors

Kann für den Hersteller mitunter teuer werden: ein Dieselmotor (hier von Daimler) Foto: reuters

KARLSRUHE taz | Die Käufer von VW-Diesel-PKW mit der verbotenen Abgas-Schummel-Software konnten die Nachlieferung eines fabrikneuen Nachfolgemodells verlangen. Dies hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe in drei Pilot-Urteilen entschieden. Der Autohändler durfte sie nicht mit dem viel billigeren Software-Update abspeisen.

Konkret hatten die Käufer einen VW Touran, einen VW Sharan und einen Audi A 3 gekauft. Alle Autos waren mit Dieselmotoren der Baureihe EA 189 ausgestattet. Eine Software steuerte die Abgasreinigung so, dass sie vor allem auf Prüfständen funktionierte.Das OLG stellte zunächst fest, dass die Käufer einen Anspruch auf Gewährleistung haben. Die Software-Manipulation sei ein Mangel, weil das Fahrzeug von den Behörden jederzeit hätte stillgelegt werden können.

Wenn ein Käufer als Gewährleistung die Nachlieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs wählt, kann ihm der Händler auch nicht entgegenhalten, der entsprechende Typ werde nicht mehr produziert, so das OLG. Der Käufer habe dann Anspruch auf ein fabrikneues Exemplar des Nachfolgemodells – auch wenn dieses mehr PS und eine bessere Ausstattung hat. Soweit folgte das Oberlandesgericht als erstes Obergericht einem Hinweisbeschluss des Bundesgerichtshof vom Januar 2019. Der BGH hatte aber offengelassen, ob die Käufer auch dann Nachlieferung fordern können, wenn der Händler ein Software-Update anbietet. Die Händler hatten argumentiert, dass die Nachlieferung sie unverhältnismäßig belaste: Das Software-Update koste 100 Euro, ein Neuwagen mehr als 25 000 Euro.

VW hätte ja in die Insolvenz gehen können

Auch in dieser Frage entschied das OLG Karlsruhe nun zugunsten der VW-Käufer. Denn im relevanten Zeitpunkt, im März 2016, konnte VW noch gar kein Software-Update anbieten. Auf die bloße Ankündigung mussten die Kunden auch nicht vertrauen. „Schließlich war noch offen, wann das Update kommt, ob es tauglich ist und ob es vom Kraftfahrbundesamt zugelassen wird“, sagte der Vorsitzende OLG-Richter Hubert Lauer. Es hätte sogar sein können, dass VW durch US-Schadensersatzprozesse in die Insolvenz getrieben worden wäre. „Dann hätte es wohl auch kein Software-Update gegeben“, so Richter Lauer.

Die Käufer, die nun Anspruch auf einen Neuwagen haben, müssen nicht einmal die Nutzung ihres bisherigen Fahrzeugs ersetzen. Dies ist aufgrund verbraucherfreundlicher EU-Vorgaben im Bürgerlichen Gesetzbuch so geregelt (§ 475 III). Dass das OLG überhaupt ein Urteil sprechen konnte, ist schon eine kleine Überraschung. In der Regel verhindert VW Urteile der oberen Instanzen, in dem es sich mit den Klägern zu sehr käuferfreundlichen Konditionen vergleicht. Die Kläger in diesen drei Verfahren wollten sich von VW aber nicht ködern lassen, sondern ein Urteil für die Allgemeinheit erstreiten (das für sie persönlich aber auch sehr günstig ist).

Die OLG-Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Richter ließen wegen der grundsätzlichen Bedeutung Revision zum BGH zu. Unter den VW-Käufern können wohl nur noch „einige hundert“ von diesem Urteil profitieren, weil sie sich für eine Nachlieferung entschieden haben und ihr Fall noch nicht abgeschlossen ist. „Die größere Bedeutung hat das Urteil für künftige Audi- und Daimler-Fälle“, sagte Rechtsanwalt Ralf Stoll, der das Urteil erstritten hat.

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