Pilzbefall auf Kakao: Die weiße Spirale

Ein Pilz vernichtet die Kakaoernte. Zudem machen Unwetter den Bauern in Bolivien zu schaffen.

So sollte es aussehen: gesunde Kakaobohnen. Bild: dpa

BOLIVIEN zeo2 | Im Lagerraum stapeln sich die grünen 75 Kilogramm Säcke mit der Aufschrift „Cacao orgánico“. Allerdings: Nur in einer Ecke. Das Lager der Kooperative El Ceibo in Bolivien ist fast leer. Eigentlich ist das nichts Besonderes. Denn es ist gerade Erntezeit, sie läuft von März bis August. Das Problem: Die Hallen werden sich im Laufe des Jahres nicht wieder wie gewohnt füllen. Die Schokoladenfabrik muss dieses Jahr mit deutlich weniger Kakaobohnen kalkulieren als in der Vergangenheit. Der Grund: Ein Pilz. Sein Name: Monilia.

Sapecho, ein kleiner Ort, mit dem Auto fünf Stunden entfernt von Boliviens zweitgrößter Stadt El Alto. Dort wurde 1977 El Ceibo gegründet, Boliviens erfolgreichste Genossenschaft. 1.200 Familien gehören zu ihr. „Von Kakaobauern für Kakaobauern“, sagt Bernardo Apaza, der Handelsdirektor des Unternehmens.

Doch nun macht ihnen dieser Pilz zu schaffen. Er legt sich wie eine dünne weiße Spirale mehrfach um die Schote. Die wird dann weich und braun. Apaza meint: „Die Kakaoschoten verfaulen am Baum.“ Die Ernten mancher Bauern sind um bis zu sechzig Prozent eingebrochen.

Im Obstanbau in Europa ist der Schädling bekannt, in Bolivien ist das Phänomen aber neu. In Sapecho ist der Pilz laut Apaza erst vor „zwei bis drei Jahren“ aufgetaucht. Der Mann mit dem schon leicht ergrauten Haar macht den Klimawandel dafür verantwortlich. Unter diesem leiden die Bauern in Bolivien ohnehin schon. Sintflutartige Regenfälle lassen die Flüsse anschwellen, der Boden wird von ihren Äckern weggeschwemmt.

Das Unwetter und der Pilz

Darauf versuchen sich die Bauern schon länger einzustellen, sie forsten auf, schaffen Wiesen, wo das Wasser versickern kann. Trotzdem sind auch in diesem Jahr wieder einige der Kakaoplantagen überspült worden. Vor allem im Februar wüteten in der Region Unwetter. Sie machten einen Teil der Ernte kaputt. Doch der Effekt von Monilia ist verheerender.

Im Jahr 2012 haben die Genossen von El Ceibo noch 20.000 Quintales (850 Tonnen) Kakaobohnen auf ihren rund 2.800 Hektar großen Plantagen geerntet. In diesem Jahr können sie nur noch mit 12.000 Quintales (550 Tonnen) rechnen. Das ist ein herber Verlust. Zumal die Mitglieder der Genossenschaft, Ceibolitos genannt, nun doppelt investieren müssen. Sie müssen die Schäden durch häufiger auftretende Unwetter und den Pilz in den Griff bekommen.

Ihre Not sehen auch die europäischen Unternehmen, die ihren Kakao kaufen. Es sind die großen Namen des fairen Handels: Gepa, Europas größter Importeur fair gehandelter Lebensmittel; Rapunzel einer der größten Betriebe in der deutschen Ökobranche sowie die Schweizer Fair Trade AG Claro. Sie alle haben finanzielle Hilfen für die Ceibolitos in Aussicht gestellt.

Der El Ceibo Kakao hat einen exzellenten Ruf. 1977 gründeten ein paar Dutzend Bauern die Kooperative. Sie waren erst Mitte der 1960er Jahre wie tausende Familien aus dem Hochland von Potosí und Oruro, wo der Bergbau in der Krise steckte, ins heiße Tiefland umgesiedelt worden.

Die Rolle der Genossenschaft

Die Regierung in La Paz hatte mit Land, Krediten und Beratung gelockt, um die nationale Kakaoproduktion auszubauen. Das war für die Bauern zunächst schwierig. Mit der Gründung der Genossenschaft El Ceibo besserte sich ihre Lage nach und nach.

„Alles begann damit, dass wir Bauern keine Lust mehr hatten uns von den Zwischenhändlern die Preise für unsere Kakaobohnen diktieren zu lassen“, erzählt Apaza. Coyoten werden die Ankäufer genannt, die sich aus La Paz immer rechtzeitig zur Ernte einfinden, mit Bargeld winken und anders als die Kleinbauern die Bohnen mit dem Lkw direkt nach La Paz transportieren können. So diktieren sie die Preise. Die Bauern haben ohne eigene Transportmöglichkeit kaum eine Alternative, ihr Produkt zu verkaufen.

Also kauften die Ceibolitos einen Lastwagen. Und fortan kümmerten sie sich selbst, um den Verkauf ihrer aromatischen Bohnen. Sie nahmen so mehr ein. Ihr Erfolg lässt sich sehen. Rund um Sapecho, der Kakaoanbauregion, stehen keine Hütten aus Holz, Bast und Palmwedeln mehr, sondern stabile Klinkerbauten. Und in El Alto steht die Schokoladenfabrik.

Die Ceibolitos waren in Bolivien mit die ersten, die sich um faire Arbeitsbedingungen gekümmert haben. Seit Ende der 1980er Jahren produzieren sie zudem ökologisch. Das ist bei Kakao alles andere als einfach. Die Fermentation, die dafür sorgt, dass die Bohne ihr volles Aroma entfaltet, ist anspruchsvoll. Die Fairtrade-Partner, der Deutsche Entwicklungsdienst und Brot für die Welt halfen bei der Umstellung über Jahre hinweg mit Beratung.

Der erste Biokakao

Ab 1988 exportierte die zertifizierte Bio-Genossenschaft dann den ersten ökologischen Kakao. Das hatte es zuvor noch nicht gegeben. Doch der für den Handel verantwortliche Apaza überlegt mittlerweile lieber dreimal, bevor er einen Container mit Kakaobohnen verkauft.

An die traditionellen Handelspartner wie die Gepa liefert er zum Beispiel fertig verpacktes Kakaopulver, auch Kakaobutter zur Weiterverarbeitung. Aber nur noch wenige Bohnen. Dafür steigt die Nachfrage nach den Schokobonbons, -riegeln und -tafeln zu sehr von Jahr zu Jahr. Nicht nur in Bolivien.

Erst vor fünf Jahren hat El Ceibo mit der französischen Chocolatière Chloe Doutre-Roussel vier Gourmet-Tafeln entwickelt: Der Kakaogehalt ist verschieden, mal sind Kaffeebohnen untergemischt, mal Salz aus dem berühmten Salzsee von Uyuni. Diese Schokoladenlinie kommt bei Kunden in Japan oder in den USA besonders gut an.

Warum werden dann in Deutschland nur vier edle Schokoladenläden beliefert? Das liege an der großen Konkurrenz hierzulande, sagt Apaza. So bieten zum Beispiel Gepa, Rapunzel und Co. ihre eigenen Schokoladen an. Diese seien auf den hiesigen Geschmack ausgerichtet und enthielten in der Regel Bohnen aus verschiedenen Ländern, erklärt Gepa-Sprecherin Barbara Schimmelpfennig. Zudem versuche die Gepa, den Anteil der fairen Zutaten in den Schokoladen insgesamt zu erhöhen. Fairer Zucker und faire Milch seien aber in Bolivien nicht so einfach zu bekommen.

Die Ceibolitos haben es in diesem Jahr geschafft, in ihrer eigenen Baumschule Kakaopflanzen zu züchten, die gegen den Monilia-Pilz resistent sind. Diese sollen peu à peu die alten Kakaobäume auf den Plantagen der Kooperative ersetzen. In ein paar Jahren, wenn sich wieder mehr Kakaosäcke in der Lagerhalle stapeln, wollen die Bauern aber auch den europäischen Markt erobern. Apaza sagt: „Wenn die Kunden in Bolivien bereit sind, für eine Tafel umgerechnet 2,25 Euro zu zahlen, dann hat das seinen Grund“. Der Geschmack werde entscheiden.

Knut Henkel, der Artikel ist erschienen in der zeo2 Ausgabe 4/2014. Den Artikel können Sie gerne auf unserer Facebook-Seite diskutieren.