Piraten auf dem tazlab 2012: Einer twittert, der Rest diskutiert

Müssen die Grünen sich vor den Piraten fürchten? Nach deren Auftritt beim tazlab eher nicht. Stattdessen sehen sich die Piraten harter Kritik ausgesetzt.

Hart am Handy: Pirat Christopher Lauer (ganz rechts) beim Dauer-Twittern. Bild: Wolfgang Borrs

BERLIN taz | Ihr Hype ist ungebrochen. Nach dem Einzug ins Saarländische Parlament prognostizieren Umfragen den Piraten jede Woche neue Höchstwerte. Bundesweit kommen sie mit über zehn Prozent den Grünen immer näher. In Schleswig-Holstein, wo in wenigen Wochen gewählt wird, liegen die Piraten bei elf Prozent – ein Sprung von sechs Prozentpunkten innerhalb von zwei Wochen.

In den vergangenen sechs Monaten sind 12.000 Neumitglieder zu den Piraten gekommen. Nach den Gründen fragt die tazlab-Veranstaltung „Warum sind die Piraten so cool?“. Die Frage stellen sich insbesondere die Grünen. „Es gibt zur Zeit eine große öffentliche Aufmerksamkeit für die Piraten, eine riesige Medienpräsenz“, sagt Konstantin von Notz, netzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag am Samstag auf dem Podium.

Gerade in schwierigen politischen Zeiten würden deshalb große Hoffnungen auf die junge Partei projiziert. „Langfristig wird aber interessant, ob das nachhaltig ist, ob die Piraten diese Hoffnungen auch erfüllen können.“ Ein Sprung von sechs Prozent in den Umfragen habe ja auch etwas Beunruhigendes. „Sie gehen den harten Themen aus dem Weg, äußern sich nicht zum Betreuungsgeld oder Finanzpolitik“, attackiert von Notz.

Das Vertrauen der Wähler werde so zwangsläufig enttäuscht werden. Christopher Lauer, Mitglied der Piraten im Berliner Abgeordnetenhaus, reagiert - wie fast immer - gelassen. „Natürlich werden wir auch Hoffnungen enttäuschen. Die Partei hat in vielen Punkten andere Meinung als die potenziellen Wähler. Etwa beim Betreuungsgeld, das wir strikt ablehnen.“ Vom nachhaltigen Erfolg seiner Partei scheint Lauer selbst nicht vollends überzeugt.

Vorwiegend grünen-affine Frauen im Publikum

„Ein Absturz wie der FDP kann uns auch passieren. So ist eben Demokratie“. Lauer hat es nicht leicht auf dem Podium. Im Publikum sitzen vorwiegend grünen-affine Frauen und Männer. Zunächst wirken sie distanziert und interessiert, mit der Zeit regt sich immer mehr Unmut über Lauer.

Mit seiner theatralisch-gelassenen Art – andere sprechen von Arroganz – kommt er nicht an. Statt sich auf seiner Gesprächspartner zu konzentrieren, beschäftigt er sich unablässig mit seinem Handy. Fragestellern sieht er nicht in die Augen, zieht sich immer mehr wie ein gekränktes Kind in seine Twitter-Welt zurück und schreibt zur Veranstaltung: „Das sitze ich jetzt mit einer Backe aus“.

Damit konfrontiert, beruft er sich auf seine ADHS-Krankheit. Auch seine Parteifreundin Christine Schinkel, Vizechefin der Berliner Piraten, hat mit Unverständnis des Publikums zu kämpfen. Sie spricht von „squats“ und „crews“ und „pads“ und ändert ihre Wortwahl auch dann nicht, als immer mehr Zwischenrufe die unverständliche Sprache der Piraten monieren.

Auf konkrete inhaltliche Fragen will sie sich kaum einlassen. Über den Stand der internen Diskussion zur richtigen Bildungspolitik kommt von ihr: nichts. Müssen die Grünen also berechtigte Angst haben vor einer solchen Partei? Sollten die Piraten bei ihren aktuellen Umfragewerten bleiben, würden immerhin rot-grüne Koalitionen im Bund wie in den Ländern unmöglich. Konstantin von Notz hat trotzdem keine Angst.

Pirat Lauer ist skeptisch

„Aber Respekt. Natürlich müssen wir uns als Partei jetzt auch verändern, lernfähig bleiben und von den Piraten lernen“, sagt er. Gemeinsamkeiten zwischen Grünen und Piraten gibt es durchaus. Bei der Sozialpolitik etwa. Kann das möglicherweise auch in gemeinsame Koalitionen münden? Von Notz ist per se nicht abgeneigt.

„Wir sind bereit, Schwarz-Gelb abzulösen“, sagt er. Für den Piraten Lauer ganz neue Töne. „Ob wir aber letztlich regierungsfähig sind, wird sich dann zeigen, wenn unser Parteitag einen möglichen Koalitionsvertrag mit etwa SPD und Grünen absegnen soll.

Da bin ich skeptisch“, sagt er. Die Frage nach der Coolness der Piraten wird letztlich nicht beantwortet. Am Samstag präsentierte sich die Partei alles andere als cool. Stattdessen als leicht zu kränken und trotzig. „Um Coolness geht es auch nicht, sondern darum, wer die besten Konzepte für die aktuellen Probleme hat“, sagte Konstantin von Notz. Konzepte aber lieferten weder Lauer, noch seine Parteifreundin Schinkel.

Im Mittelpunkt ihrer Beiträge geht es um Verfahrensfragen, um Liquid Feedback und Arbeitsstrukturen. „Leider wurden meine Vorurteile bestätigt. Für mich ist diese eigentlich sehr spannende Partei noch immer unwählbar“, sagte am Ende eine Zuhörerin. Sie ist mit ihrer Meinung nicht allein im Raum.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.