Piratenpartei Hamburg: "Zuwachs durch die 68er"

Mit dem Medienhype kam der Mitgliederboom bei den Hamburger Piraten: Geschäftsführer Thomas Michel erzählt, wer die neuen Mitglieder sind und wie sie die noch junge Partei verändern.

Wikileaks-Gründers Julian Assange ist als Maske dabei: die Hamburger Piraten in ihrer ehemaligen Parteizentrale. Bild: dpa

taz: Herr Michel, was für Leute treten in die Piratenpartei ein?

Thomas Michel: Das ist sehr bunt gemischt und tatsächlich ein Abbild der Gesellschaft. Wir hatten bis 2009 vor allem Mitglieder, die einen klaren IT-Hintergrund hatten oder bei denen ein Großteil ihres Lebens im Internet stattfand und die für dessen Freiheit gekämpft haben. Das hat sich gewandelt: Mittlerweile gibt es auch Mitglieder, die kein Internet haben.

Warum kommen die Neuen?

Im wesentlichen sind es Menschen, die enttäuscht sind von den etablierten Parteien und nicht mehr geglaubt haben, dass es Sinn macht, sich politisch zu engagieren.

Das Image der Piraten ist anders: Eine junge Partei mit jungen Mitgliedern …

Die Piraten, die jetzt im Berliner Abgeordnetenhaus und im Bundesvorstand sitzen, gehören auch parteiintern zur jüngeren Generation. Der Zuwachs im letzten Jahr kam vor allem von den 68ern und den Leuten, die in den 60er-Jahren geboren wurden. Das Durchschnittsalter dürfte sich deutlich angehoben haben. Wir erfassen das nur nicht.

Wie sieht es aus mit dem Frauenanteil?

Das erheben wir auch nicht. Wir merken aber, dass es einen höheren Frauenanteil gibt – auch an jungen Frauen. Das freut uns. Vor allem sind sie jetzt auch engagierter und sichtbarer.

43, ist Geschäftsführer und stellvertretender Vorsitzender der Hamburger Piraten. Der kaufmännische Angestellte ist seit Sommer 2009 Mitglied.

Die Partei galt mal als fast reiner Männerclub. Die Frauen sind auch jetzt noch lange nicht in der Mehrheit, oder?

Nein, nein, nein.

Schielen die Neuen auch auf Jobs und Mandate?

In Hamburg gibt es keine Leute, die kommen, um hier Karriere zu machen. So weit sind wir noch nicht. Wir haben keine Jobs zu vergeben.

Anfang als Kleinstpartei: Der Hamburger Landesverband der Piraten wurde im Oktober 2007 gegründet. Bis ins Jahr 2009 hatte er zwischen 30 und 40 Mitglieder.

Den ersten massiven Mitgliederzuwachs erlebte der Verband im Jahr 2009 anlässlich des Protests gegen Netzsperren. Seit dem Einzug der Piraten in das Berliner Abgeordnetenhaus gibt es einen weiteren Hype. Im Oktober 2011 hatte die Partei 470 Mitglieder.

Aktuell hat die Partei rund 950 Mitglieder.

Stimmberechtigt ist nur, wer seine Beiträge bezahlt. Das sind in Hamburg 484 Mitglieder.

Wie verhindern Sie bei den vielen Zutritten, dass Sie die Falschen aufnehmen? Etwa Rechtsradikale …

Theoretisch haben wir das Recht, Anträge abzulehnen.

Passiert das?

Wir hatten bisher eine Diskussion über einen Wiedereintritt. Sonst passiert das sehr selten. Das ist an mich delegiert. Ich google hin und wieder mal einen Interessenten. Aber viel mehr kann ich auch nicht tun. Wenn jemand auffällig wird, mit rassistischen oder diskriminierenden Äußerungen, dann müssen wir parteiintern gegen ihn vorgehen. Das ist zwar recht schwierig, aber so ist das dann.

Wie integrieren Sie die neuen Mitglieder? Die Parteiarbeit findet ja mit verschiedenen speziellen Internet-Tools statt.

Das ist tatsächlich die größte Herausforderung, den Neuen unsere Kommunikationswege nahezubringen. Wir laden sie ein zum Stammtisch und versuchen im persönlichen Gespräch zu klären, wo Bedarf ist. Außerdem bieten wir einmal im Quartal neuen Mitgliedern und Interessenten Newbie-Schulungen, bei denen wir unsere Werkzeuge erklären.

Sie wachsen und wachsen. Verändern Sie deswegen die Parteistruktur?

Wir probieren, uns regional anders aufzustellen. In Bergedorf, Harburg und Hamburg-Nord gibt es Bezirksverbände und in Eimsbüttel einen regionalen Stammtisch. Jetzt bemühen wir uns, in den übrigen drei Bezirken Stammtische zu etablieren, um dort einen regionalen Ansatzpunkt zu bieten.

Vor drei Jahren waren die Piraten eine Partei von Internet-Affinen. Jetzt kommen Leute ohne Internet. Was macht das mit der Partei?

Mit der Partei erstmal nichts. Wir bemühen uns natürlich auch, unsere Inhalte auf Papier anzubieten. Aber da sind wir finanziell eingeschränkt. Und es ist eine Einstellungsfrage: Wir glauben, dass das Internet ein ziemlich demokratisches Medium ist und Voraussetzung für eine Partizipation an der Gesellschaft. Deswegen wünschen wir uns von den neuen Mitgliedern auch, dass sie sich dem öffnen.

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