Pläne zur Sicherungsverwahrung: Zu wenig Freiheit

Rechtsexperten kritisieren die Pläne von Niedersachsens Justizminister Bernd Busemann (CDU) zur Sicherungsverwahrung. Jetzt werden sie überarbeitet.

Hier sollen Häftlinge und Sicherungsverwahrte untergebracht werden: JVA Rosdorf. Bild: dpa

HANNOVER taz | Niedersachsens Justizminister Bernd Busemann (CDU) muss nacharbeiten: Rechtsexperten haben seinem Entwurf eines Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes bei einer Anhörung im Landtags-Rechtsausschuss erheblichen Nachbesserungsbedarf attestiert.

Statt sein Gesetz zur Neuregelung des Umgangs mit Sicherungsverwahrten wie ursprünglich geplant schon im Herbst vom Landtag beschließen zu lassen, wird es jetzt überarbeitet.

Fast sieben Stunden dauerte die Anhörung am Mittwoch, die die Opposition angeregt hatte. Mit dem Gesetz will Niedersachsen seine Sicherungsverwahrung an ein Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts von Mai 2011 anpassen – juristisch wasserdicht und verfassungskonform.

Denn die bisherige Sicherungsverwahrung unterscheidet sich nicht eindeutig genug vom Strafvollzug, so die Kernkritik aus Karlsruhe. Bis Mai 2013 müssen Bund und Länder die Unterbringung einstiger Straftäter, die auch nach Verbüßen einer Haftstrafe noch als gefährlich gelten, neu regeln.

Busemann: "Ich lasse keinen raus"

Wird diese Frist überschritten, könnten sich Sicherungsverwahrte freiklagen – was Niedersachsens Justizminister Busemann unbedingt verhindern will. „Ich lasse keinen raus“, war noch im Frühjahr 2011 seine Ansage nach einer Rüge des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte an der nachträglichen Sicherungsverwahrung.

Konsequenzen zog er erst aus dem Karlsruher Urteil: Eilig ordnete er den 12,5 Millionen Euro teuren Bau eines Sicherungsverwahrungs-Gebäudes auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt (JVA) Rosdorf bei Göttingen an.

Noch in diesem Jahr soll Richtfest sein, spätestens im Mai 2013 Einzug für Niedersachsens derzeit 39 Sicherungsverwahrte. Bislang sind sie noch in der JVA Celle untergebracht – in Zellen wie gewöhnliche Strafgefangene. In Rosdorf erhalten sie 20 Quadratmeter große Appartments mit eigenem Bad, Kochnische und Schlüssel.

Und auch Busemanns Pläne zur Neuregelung der Sicherungsverwahrung haben „nach wie vor den Charakter eines Gefängnisgesetzes“, so das Fazit des Grünen-Rechtspolitikers Helge Limburg nach der Anhörung zum Gesetzentwurf.

Grüne: Halbherziger Entwurf

Vom Gefängnisgedanken aber müsse man sich komplett lösen. „Halbherzig“ sei der Entwurf, kritisiert Linken-Fraktionschef Hans-Henning Adler. Busemann sei „offenbar mehr den Stammtischen als dem Bundesverfassungsgericht gefolgt“, sagt SPD-Rechtspolitiker Grant Hendrik Tonne.

Kritische Rechtssoziologen wie Helmut Pollähne oder Joachim Feest von der Uni Bremen bemängelten vor allem, dass auch für die Sicherungsverwahrten quasi durch die Hintertür Disziplierungsmaßnahmen geplant sind: Nehmen sie Behandlungsangebote an, erhalten sie Vergünstigungen.

Mehr als vier sogenannte Ausführungen – begleitete Freigänge – pro Jahr etwa oder höheres Taschengeld. Ebenfalls in der Kritik: Internet und E-Mail sollen Sicherungsverwahrte nur nach Zustimmung des Justizministeriums nutzen dürfen, Briefe sollen zensiert werden, wenn darin die Anstalt kritisiert wird.

Doch es gab auch Warnungen vor Lockerungen: Dass sich die Sicherungsverwahrten tags frei im Gebäude bewegen, sei zu gefährlich, war etwa ein Einwand von Regina Weichert-Pleuger, Leiterin der JVA Rosdorf – wo Niedersachsens Sicherungsverwahrte künftig untergebracht werden sollen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.